Menschenjagd in Mexiko

„La Zona“, der Debüt-Spielfilm von Rodrigo Plá, schaut hinter die Mauern einer „gated community“

Am Anfang des mexikanischen Films „La Zona“ ist man ein bisschen verwirrt und weiß nicht recht, was genau geschieht. Es ist Nacht. Ein alter Bus steht auf einer Art Schrottplatz. Ein paar Jugendliche hängen in dem Bus ab. Ein Mädchen schreibt einem Jungen ihre Telefonnummer auf den Arm. Draußen geht ein Gewitter nieder. Alles ist sehr malerisch inszeniert mit Bäumen und nackten Ästen, die sich vor den Blitzen abzeichnen. Man denkt an Horrorfilme.

Die Perspektive wechselt. Man sieht Wachleute und Bilder von Überwachungskameras, auf die sie gucken. Immer wieder fällt der Strom aus, und damit verschwindet auch das Bild der Überwachungskameras. Eine riesige Reklametafel, die vor einer Mauer steht, fällt um. Sie bildet eine Brücke zu dem Gebiet, das jenseits der Mauer liegt. Die drei Jugendlichen aus dem Bus klettern hinüber und brechen in ein Haus ein. Sie werden überrascht. Es gibt Tote. Einer der Jugendlichen entkommt.

Es braucht eine Weile, bis man sich in „La Zona“ orientiert. Erst als die Sonne nach der Gewitternacht aufgeht, ist zu erkennen, dass es sich bei dem Ort jenseits der Mauer um eine von hohen Mauern und riesigen Toren geschützte „gated community“ handelt, die an David Lynchs Filme erinnert. Ein wohlhabendes, kleines, selbst verwaltetes, gut geordnetes Fürstentum inmitten einer chaotischen, wilden Metropole. Eine selbst verwaltete Parallelgesellschaft, in der die Ordnungsorgane der umgebenden Stadt kaum Macht haben.

Die Polizisten, die kommen, um das Verbrechen zu untersuchen, werden von den Sicherheitsleuten der „gated community“ abgewimmelt. Auf einer gespenstischen Versammlung beschließen die Bewohner, den Fall selbst zu untersuchen und Miguel (Alan Chavez), den verbliebenen Eindringling, zu jagen.

Eine Gruppendynamik entwickelt sich, die an „Herr der Fliegen“ erinnert. Am gruseligsten sind dabei nicht die Securityleute, die den Jungen jagen, oder die Polizisten, die Miguel nicht helfen, sondern ein kleines, dickes, adrettes Kind in Schuluniform, das an einem Fenster steht und mit seiner Trillerpfeife pfeift, als es den Jungen sieht.

Zwischen den Fronten steht Alejandro (Daniel Tovar), der 15, 16 Jahre alte Sohn eines Wortführers, der Miguel zufällig entdeckt und ihm hilft. Miguel überzeugt Alejandro, dass er nicht der Mörder ist.

„La Zona“, der erste Spielfilm des aus Uruguay stammenden Regisseurs Rodrigo Plá, wurde auf vielen Festivals von Toronto bis Athen ausgezeichnet. Das ist nicht überraschend – inszeniert er doch ein gesellschaftlich relevantes Thema mit fast hollywoodmäßigem Spannungsbogen.

Wo die sozialen Unterschiede zu groß werden, entstehen „gated communities“, sagt der Regisseur – und dass 40 Prozent der mexikanischen Gesellschaft mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen. Die Frustration gegenüber Polizei und Justiz sitze tief. „Sie erwarten nichts von ihren korrupten, gleichgültigen oder dilettantischen Beamten.“ Der Film sei als „Kritik an der Abwesenheit des Staates zu verstehen“. Vor allem ist er sehr spannend. DETLEF KUHLBRODT

„La Zona“. Regie: Rodrigo Plá. Mit Daniel Gimenez Cacho, Maribel Verdu u. a. Mexiko 2007, 95 Min., ab heute im Central, Sputnik und Acud