Fliegen im Weltall

„Fly me to the Moon – 3D“ von Ben Stassan ist dramaturgisch eindimensional

Der amerikanische Kritiker David Denby hat die aktuelle Strukturkrise des Kinos auf einen treffenden Begriff gebracht: Die jugendlichen Konsumenten nutzen heute zwar massenweise audiovisuelle Medien, aber sie sind „Plattform-Agnostiker“. Damit meint er, dass ihnen egal ist, in welchem Medium (oder auf welcher „Plattform“) sie sich Filme, Videos oder Spiele ansehen. Kinoleinwand, Flachbildschirm, Computermonitor oder Handy – sie nehmen, was gerade kommt. Und da das Kino die teuerste Variante ist, verliert es zunehmend sein Publikum. Also muss die Filmindustrie etwas bieten, was nur das Kino leisten kann. Und dies ist, zumindest noch eine Zeit lang, das dreidimensionale Sehen.

Deshalb sollen viele Kinos bald umgerüstet werden, und deshalb produziert Hollywood auch zunehmend Filme in „3D“. In „Spy Kids 3-D“ ließ etwa Robert Rodriguez seine Special Effekts direkt auf das Publikum zufliegen und in „Beowulf“ konnte man sogar eine nackte, allerdings nur computeranimierte Angelina Jolie in ihrer plastischen Pracht bewundern – aber nur in den wenigen Kinos, die auf dreidimensionales Kino umgerüstet haben. Zu diesen zählt „Cinespace“ in Bremen Walle, und dort wird nun auch der Animationsfilm „Fly me to the Moon 3D“ gezeigt.

Wer noch nie einen dreidimensionalen Film gesehen hat, wird dabei auch garantiert auf seine Kosten kommen. Dies hat kaum noch etwas mit den grünroten Brillen aus den 50er Jahren gemein, in denen man alles nur in zwei Farben, dafür aber ein klein wenig räumlich sehen konnte. Allerdings muss man auch jetzt noch dicke Brillen aufsetzten, weil die dreidimensionale Illusion nur dann möglich ist, wenn jedes Auge ein anderes, räumlich leicht verschobenes Bild sieht. Und diese Brillen haben noch den Nachteil, dass durch sie das Bild auf der Leinwand dunkler und die Farben trüber werden. Dafür will man manchmal unwillkürlich vor sich greifen, so real scheinen die Dinge im Kinosaal zu schweben. Der Effekt ist verblüffend und wird in den extra für 3D-produzierten Filmen natürlich so eindrücklich wie möglich ausgestellt. In „Fly me to the Moon 3D“ lässt man zum Bespiel drei junge Fliegen als blinde Passagiere mit der Apollo 11 Mission auf den Mond reisen, weil sie so immer wieder aus der Tiefe des Raumes bis zur Nasenspitze des Zuschauers brummeln können.

Dieser in Belgien produzierte Animationsfilm ist leider ein reines Vehikel für die dreidimensionalen Effekte. So werden gerne 3D-Filme über Raumfahrten gemacht, weil dabei die Räume so eindrucksvoll sind. Es gibt bereits einen Imax-Film, der zum Teil im Spacelab im All gedreht wurde, und auch den Spielfilm „Apollo 13“ gibt es in einer 3D-Version. Animation bietet sich ebenfalls für diese Technik an, weil man nicht wie bei Realfilm mit umständlichen, doppelt belichtenden Kameras arbeiten muss, sondern die Computer nur ein wenig mehr rechnen müssen. Und Fliegen haben natürlich den Vorteil, dass sie, wie schon der Name sagt, ständig fliegen, und so die 3D-Wirkung sehr dynamisch ausstellen können. Dramaturgie, Entwurf der Figuren und Witz sind hier leider nur sehr eindimensional entwickelt worden und manchmal erstaunt die schiere Blödheit der Handlung. So werden die drei Fliegen im Weltall etwa extra mit winzigen Raumanzügen ausgestattet, aber als ein humaner Astronaut ihren mit Insektenspray (in einer Apollo-Kapsel!) gefährlich wird, kommt selbst die smarte Fliege mit dem Namen I.Q. nicht auf die Idee, einfach die Raumhelme zu schließen. Das sieht wohl in 3D zu popelig aus. WILFRIED HIPPEN