Zen oder die Kunst des Trommelns

„Die Reise des chinesischen Trommlers“ von Kenneth Bi geht vom Gangsterfilm zur Meditation

Im asiatischen Kino werden zwei Geschichten immer wieder gerne erzählt. In unzähligen Genrefilmen zelebrieren die Japaner und Chinesen das Kämpfen, und diese Linie geht von den Schwertkampf-Epen über die Kung-Fu-Kracher bis zu den Gangsterfilmen aus Hongkong, die inzwischen in Hollywood so eifrig kopiert werden. Fast ebenso beliebt sind aber auch die spirituellen Entwicklungsromane, bei denen ein undisziplinierter Lehrling in eine klosterartige Gemeinschaft aufgenommen wird, wo er durch die Unterweisung eines weisen Meisters lernt, seine Kunst, vor allem aber sein Leben zu meistern. Egal ob Shaolin-Novize, Waisenkind, das mit einem alten Puppenspieler durchs Land zieht oder kleine Jungen, deren Glieder in einer Schauspielschule für die Pekingoper verbogen werden - erzählt wird hier immer von einer eher geistigen Erweckung. Auch dabei hat Hollywood sich bedient, und mit “Karate Kid“ sowie „Kung Fu Panda“ ein paar Kassenhits nach dem Muster gebastelt.

In dem hier etwas umständlich betitelten „Die Reise des chinesischen Trommlers“ (die Übersetzung des Originaltitels wäre schicht „Der Trommler“ gewesen), werden diese beiden Erzählstränge nun auf geschickte Weise miteinander verwoben. Regisseur Kenneth Bi beginnt seinen Film wie ein typisches Genre-Produkt aus Hongkong: Der verwöhnte und arrogante Sohn eines Gangsterbosses wird mit der Geliebten eines mächtigeren Unterweltkönigs erwischt, und nachdem er denn alten Mann vor dessen Mannschaft beleidigt, muss dieser, um sein Gesicht zu wahren, auf einer extremen Bestrafung bestehen. Aber stattdessen verbannt der Patriarch seinen Sohn lieber in ein kleines Bergdorf in Taiwan, wo der junge Mann von einem Aufpasser rund um die Uhr bewacht wird.

Mit dem Wechsel von Hongkong nach Taiwan ändern sich Stimmung, Tempo und Richtung des Films. Während bisher alles hektisch erzählt und geschnitten war, werden die Einstellungen jetzt viel ruhiger. Der Film lässt sich Zeit zu zeigen, wie sich Sid in der kargen Holzhütte langweilt, wie er versucht, abzuhauen und dabei von seinem Adjutanten ausgetrickst wird. Bei einem Spaziergang hört er entfernte Trommelklänge und findet eine Gruppe von Zen-Trommlern, die in den Bergen ihre Schule haben. Sid, der sich für einen talentierten Schlagzeuger hält, will unbedingt mit dieser Gruppe üben, wird von der klugen Lehrerin aber erst mal zum Wasserholen und Sammeln von Steinen geschickt. So nimmt seine Erziehung in bester Zen-Tradition seinen Lauf, und weil Kenneth Bi so klug ist, sie in alltäglichen, oft durchaus humorvollen Schritten zu beschreiben, schaut man sich das gerne an. Ein romantischer Erzählstrang wirkt dagegen aufgesetzt, und so entwickelt sich kaum Interesse daran, ob sich die Trommelstöcke von Sid und der zornigen Musterschülerin attraktivewohl kreuzen werden. Hier wurde ein wenig nach der Kinokasse geschielt, den sie wird von dem attraktiven Jungstar Lee Sinje (“The Eye“) verkörpert. Jaycee, der Sohn von Jackie Chan, macht sich dagegen in seiner ersten Hauptrolle gar nicht schlecht.

Der Film ist auch gerade darum interessant, weil er aus den beiden Erzähltraditionen schöpft, und die Konventionen des Actionkinos mit denen der eher meditativen Kontemplation gut verbinden kann. So wird etwa auf das berühmte Zen-Rätsel angespielt, wie sich „das Klatschen einer einzelnen Hand anhört“, wenn Sids Vater dem Gangsterboss eine tiefgefrorenen Hand zeigt, die er angeblich seinem Sohn abschneiden ließ. Wie klingt denn ein einhändiger Trommler? WILFRIED HIPPEN