Kunstmessen, Luxus etc.
: Höher, schneller, wie weiter

Mit der „art berlin contemporary“ behauptet eine Gruppe von 44 Galeristen, die Alternative zum siechen Art Forum zu sein

Die Klientel ist anspruchsvoll. Ihre Erwartungen an Luxus, Komfort und Unterhaltung sind hoch. Sie zu erfüllen ist schwer, sie zu übertreffen eine Kunst. Diese Kunst aber interessiert die Klientel besonders, auch wenn sie behauptet, auf der Jagd nach einer ganz anderen, der zeitgenössischen bildenden Kunst zu sein. Die Rede ist von den hochkarätigen Sammlern, Kuratoren und Art Consultants, um die die internationalen Kunstmessen konkurrieren und deshalb dopen, was das Zeug hält. Doping nennt sich Marketing und bedeutet Partys statt Panels sowie Celebrities aus der Mode- und Unterhaltungsindustrie als eigentlicher Performance-Act. In nur vier Messetagen sorgen so viel Glamour und sehr viel weniger, vom Markt allerdings weitgehend abgesicherte Kunst für einen Milliardenumsatz. Jedenfalls sofern die Messe Art Basel/Miami Beach heißt. Am besten hieße jede Kunstmesse ABMB, andernfalls scheint sie überflüssig.

Auf der einen Seite viel zu viel Kunst, von der keiner Genaueres weiß, auf der anderen Seite viel zu wenig Glamour und limitierte Einladungen, mit denen man Eindruck schinden kann, geht das On-dit, mit dem auch das nun 13 Jahre bestehende Art Forum Berlin für überflüssig erklärt zu werden droht. Daher räumte nun die langjährige Leiterin Sabrina van der Ley ihren Stuhl. Die Nachfolger Eva-Maria Häusler und Peter Vetsch qualifiziert ihre Leitungsfunktion bei der Art Basel, die als die Mutter aller Messen für das Stahlbad steht, das Fun nach Adorno bedeutet.

Bis das Art Forum 2009 vielleicht doch als State of the Art und damit existenzberechtigt gilt, gehen 44 in der Hauptstadt ansässige Galerien vom Gegenteil aus und eröffneten gestern nahe dem Potsdamer Platz ihre Alternative zur Messe, „art berlin contemporary“ oder kurz „abc“ genannt. In einem alten Postbahnhof am Gleisdreieck suchen sie das Gespräch und das Geschäft mit den Sammlern, Kuratoren und Art Consultants – unter anspruchsvolleren Bedingungen als sie die Messe bietet. Trotzdem fahren sie kostengünstiger.

Die „abc“ schreibt das Konzept des im Mai angesetzten und von der gleichen Galeristengruppe 2005 aus der Taufe gehobenen „Gallery Weekend Berlin“ fort. Als großer Vorzug des Wochenendes gegenüber der Messe wird die konzentrierte und intime Kommunikationssituation gerühmt.

Nun kommt mit dem Postbahnhof noch ein Showroom von der atmosphärischen Anmutung einer Kunsthalle ins Spiel. Damit können die Galeristen ihre Künstler und Programme auf nachgerade museumsreife Weise inszenieren. Tricky, aber noch im Rahmen der Ansage, die Kunst und nicht die Show stünde im Zentrum des Geschehens. Warum nur glaubt man die Marketingfachleute mit ihrem Höher-schneller-weiter-Rezept trotzdem schon am Start? Begierig darauf, nach dem Messekonzept baldmöglichst auch die Alternative zu ruinieren?

BRIGITTE WERNEBURG