Vier Freunde und der Tod

„Alter und Schönheit“ von Michael Klier ist ein Berliner Yves Montand Film

Nach vielen Jahren kommt eine Clique von alten Freunden wieder zusammen, weil einer von ihnen im Sterben liegt. Diese Krise führt dazu, dass die vier Bestand aufnehmen und sich fragen, ob sie „richtig“ gelebt haben. Der erfolgreiche Schauspieler Manni hat Krebs im Endstadium und bereut, sein Leben seiner Karriere geopfert zu haben. Nachdem seine Freunde seine Ex-Geliebte Rosi aufgespürt haben, die Manni unbedingt noch einmal sehen wollte, landen sieschließlich in Mannis verlassenem Bungalow, der noch ganz vom Zeitgeist ihrer Jugend durchflutet ist.

Der Arbeitstitel des Projekts war „Ferrari 49“ und tatsächlich wird die Ikone Ferrari zur Metapher der einstigen Sehnsüchte und jetzigen Ernüchterung der Gruppe. Denn am lebendigsten ist Manni in einem Schwarzweißfilm aus den 60er Jahren, indem er von seinem Wunschträumen erzählt, mal ein solches Auto zu besitzen. Jetzt hat er einen und stirbt schließlich an ihn gelehnt.

Michael Klier nimmt sich die Zeit, seine Figuren vorzustellen. Im Grunde passiert auch gar nicht viel in diesem Film: die zwischen 50 und 60jährigen verbringen ein paar Tage miteinander, sind neugierig darauf, was aus den anderen geworden ist, albern herum, kiffen miteinander, sorgen sich um ihren kranken Freund. All das wirkt so glaubwürdig und bewegend, weil Klier seinen Schauspielern vertraut und sie oft einfach nur machen lässt.

Weil die meisten Filme so mittelmäßig sind, merkt man ja kaum, was für wunderbar abgehangene Schauspieler wir in Deutschland haben. Peter Lohmeyer hat zwar den schwarzen Peter gezogen und muss als Todkranker im Grunde nur den Katalysator für die anderen geben, aber dies macht er mit einer souveränen Gelassenheit. Henry Hübchen, Armin Rohde und Burghard Klaußner dürfen dagegen aus dem vollen Leben schöpfen. „Was seit ihr für schöne Männer“ sagt Sibylle Canonica als Rosa in einem der vielen zärtlichen Momente des Films, und wie viele andere trifft dieser Satz es genau.

Klier inszeniert die Berliner Stadtlandschaften mit der gleichen Intensität wie seine Figuren - nicht umsonst hat er seine früheren Filme „Ostkreuz“ und „Farland“ nach Orten betitelt. Besonders eindrucksvoll ist ihm dies bei dem Schwenk in die Totale des Schlussbildes gelungen, aber auch sonst hat man bei seinen Figuren wie sonst selten immer ein genaues Gefühl dafür, wo sie gerade sind, und wie ihre Stimmung durch die Atmosphäre dieser Orte beeinflusst wird. In den Häusern dieses Film wurde gelebt, in den Autos gefahren, genau diese Bücher würden bei Rosa neben dem Bett liegen und genau diese alten Schallplatten würden Manni gesammelt und aufbewahrt haben.

Klier beschwört atmosphärisch genau das Lebensgefühl dieser Handvoll von Menschen herauf, und durch solche überraschenden Details wie eine Zahnlücke oder einen überlaufenden Swimmingpool bekommt der Film eine spielerische Leichtigkeit, die ihn trotz des stets durchscheinenden Todesmotivs nie grüblerisch oder schwermütig werden lässt. Nicht nur hierbei erkennt man deutlich die französischen Vorbilder. Claude Sautet hatte mit dieser Art von gehobenen Unterhaltungsfilmen in den 70er Jahren große Erfolge -- er hatte allerdings nicht mit solchen uneleganten Wortschöpfungen wie „Dramödie“ zu kämpfen, die Klier nun wirklich nicht verdient hat. Denn ihm ist hiermit so etwas wie ein Berliner Yves Montand Film gelungen, und das ist wohl ebenso schwierig hinzukriegen wie ein deutsches Chanson.

WILFRIED HIPPEN