Alter und Schönheit: Schön, dass du da bist

Vier Männer, eine Frau, ein Ferrari. Michael Kliers Film "Alter und Schönheit" beschäftigt sich mit dem Bündel diffuser Gefühle, die das Sterben eines Freundes auslöst.

Rosi, Bernhard, Harry und Justus im Swimmingpool ihres sterbenden Freundes. Bild: X-Verleih AG

Der Titel führt in die Irre. In Michael Kliers "Alter und Schönheit" geht es im Grunde weder um Alter noch um "Schönheit" und erst recht nicht um Schönheit im Alter, sondern um existenzielle Dinge, die viel schwerer auf einen Begriff zu bringen sind: um das diffuse Bündel an Gefühlen, die das Sterben eines Freundes auslöst, und darum, wie dieses Sterben die Empfindungen verändert für alte Freunde, alte Lieben und all die Dinge, an denen man hängt.

Wie zum Beispiel ein Ferrari. Es gibt im Leben eines Mannes kaum etwas Ernsteres als den Traum von einem Ferrari, und anders als die Träume vom Lokomotivführerdasein vergeht er auch im Erwachsenenalter nicht. Manni (Peter Lohmeyer) hat ihn sich erfüllt. Nur dass der als Schauspieler zu Geld und Ansehen Gekommene das Auto nicht mehr nutzen kann, weil er Krebs im Endstadium hat. Seine ehemals besten drei Freunde besuchen ihn, bedrückt stehen sie im Sterbezimmer. Manni bittet sie darum, seine alte Liebe Rosi zum Besuch zu überreden. Sie dürfen seinen Ferrari fahren. Kaum treten sie zu dritt auf die Straße, balgen sie sich darum, wer sich nun ans Steuer setzt.

Es sind diese Alltäglichkeiten, die Kliers Film so sehenswert machen. Neben Peter Lohmeyer spielen hier Burghard Klaußner, Armin Rohde und Henry Hübchen einmal keine "Rollenfächer" wie Kommissare oder Alt-68er, sondern etwas Komplexeres: erwachsene Männer. Sie tun es mit einer Spielfreude, die die Vorgaben des Drehbuchs mit so viel Individualität anreichert, dass alle angelegten Klischees auf angenehme Weise an Kontur verlieren. Henry Hübchen spielt Harry, der sich zwischen zwei Frauen nicht entscheiden kann und das so lange hinauszögert, bis ihn beide verlassen. So traurig er darüber ist, liegt es doch nicht fern, das als Befreiung und Harry als einen Mann zu sehen, der sein Entscheidungsphlegma als Segen pflegt.

Armin Rohde ist der Underdog, ein braver, angepasster Lehrer, der seine Träume aufgegeben hat. In der Gesellschaft seiner alten Freunde wird er unruhig. Irgendein Ausbruch bahnt sich an. Burghart Klaußner schließlich repräsentiert den Erfolgsmenschen, einen, der nie Zeit und schon zwei Familiengründungen hinter sich hat. Kaum angekommen am Sterbebett von Manni, muss er auch schon wieder zum Flughafen. Doch dann fliegt er nicht los. Und als er wieder zu den anderen stößt, fragt niemand nach, weil es ganz offensichtlich ist: Sie hätten zusammenbleiben sollen, damals, und was damals galt, gilt jetzt erst recht. Die drei beziehen Mannis Luxusvilla und überlegen, wie sie Rosi finden können.

In kunstvoller Beiläufigkeit fängt Sophie Maintigneux Kamera dazu einen Spätsommer in Berlin ein, dem die Herbstmelancholie schon als Drohung im Nacken sitzt. Noch kann sie auf das Hospiz eingegrenzt werden, wo Manni sanft nach Rosi fragt. Andere Drehbuchschreiber würden daraus vielleicht den Plot konstruieren, Michael Klier aber bleibt bewundernswert unbeeindruckt von solchen Forderungen. Jede Wendung vollzieht sich unspektakulär: In einem Moment scheint Rosi (Sibylle Canonica) unauffindbar, im nächsten stehen die drei Männer vor ihrer Tür. Zuerst schlägt sie sie ihnen vor der Nase zu, dann ist sie bereit mitzukommen. "Schön, dass du da bist", sagt Manni, als sie im Krankenzimmer steht. "Das finde ich auch", sagt sie, einfach und ohne Drama.

Diese beiläufige Plotlosigkeit hat zwei Seiten: Auf der einen sorgt sie für ein herrlich zauderndes Erzähltempo, das die innere Bewegung der fünf Menschen erst sichtbar macht. In den Szenen, in denen sie im Bungalow herumtoben wie kleine Kinder, erreicht Klier fast das Vorbild von John Cassavetes "Husbands", allerdings in einer weniger hysterischen Version.

Die andere Seite der Medaille ist die Sache mit den letzten Sätzen: In all der Beiläufigkeit fallen sie wie Tonnengewichte: "Ich habe dich immer geliebt." - "Es ist nie zu spät, neu anzufangen." Vielleicht sollte man einfach nicht so genau hinhören. Dann ist "Alter und Schönheit" ein wunderbar leichter Film zu einem schweren Thema.

"Alter und Schönheit", Regie: Michael Klier. Mit Henry Hübchen, Peter Lohmeyer, Burghart Klaußner u. a. Deutschland 2008, 95 Minuten

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