Bruce Springsteen glaubt an Amerika: Das Inaugurationsalbum

Bruce Springsteen schließt mit seinem neuen Album "Working On A Dream" seine politische Phase ab. Jetzt kommt der Wiederaufbau - und der Altmeister eint die Nation.

Singt auch gerne für Obama: "The Boss" Bruce Springsteen. Bild: dpa

Der neue Präsident hat verkündet, nun "beginne die Arbeit, Amerika wiederherzustellen". Der alte Boss ist auch am Schuften. "Working On A Dream" hat Bruce Springsteen sein neues Album genannt, das am Freitag erscheint, drei Tage nachdem in Washington Geschichte geschrieben wurde.

Obama und Springsteen haben einiges gemeinsam. Wenn auch nicht unbedingt auf den ersten Blick: Obama steht für den Wechsel, für Intellektualität, für das urbane, schwarze Amerika. Springsteen für das Bewahren, für den einfachen Mann, für das ländliche, weiße Amerika. Beide aber glauben an die Werte, die Amerika groß gemacht haben. Wagemut und Toleranz hat Obama am Dienstag beschworen. Das ist der Sound, der das Schaffen von Springsteen seit dreieinhalb Jahrzehnten bestimmt. Auf "Working On A Dream" ist er so deutlich wie lange nicht zu hören.

Das beginnt schon mit dem Eröffnungssong: Oberflächlich betrachtet erzählt "Outlaw Pete" eine Westernsaga von einem reuigen und doch verdammten Revolverhelden. In Wirklichkeit porträtiert Springsteen jene jungen Männer, auf deren Knochen dereinst der Westen gewonnen und mit deren Leben heute der US-Einfluss aufs Öl verteidigt wird. Dazu quietscht eine wüstenweite Mundharmonika wie aus "Spiel mir das Lied vom Tod". Dennoch beendet Springsteen hiermit seine ausdrücklich politische Phase nach "We Shall Overcome - The Seeger Session", die den guten alten Folksong gegen die Bush-Regierung in Stellung brachte, und den letzten Studioalben "Devils & Dust" und "Magic", die von einem Amerika im Krieg erzählten.

Obwohl der Großteil von "Working On A Dream" schon während der Aufnahmen von "Magic" entstand, scheint Springsteen gespürt zu haben, dass bald nicht mehr der kritische, spaltende Springsteen gefragt sein würde, sondern der die Nation einende. Der, der die Nöte und Träume des sprichwörtlichen kleinen Mannes in griffige Reime und alltägliche Geschichten fasst. Mal sind es die gesellschaftlichen Außenseiter wie die fahrenden Artisten in "The Last Carnival" oder "The Wrestler", der den das Album beschließende Song aus dem gleichnamigen Darren-Aronofsky-Film. Öfter aber noch das klassische Personal von Springsteen, die hart arbeitenden Mustermanns aus der Kleinstadt, die ihre Familie mal eben so über die Runden bringen. Im Titelsong gerät das - für mitteleuropäische Ohren jedenfalls - arg pathetisch, wenn Springsteen in die Haut eines Arbeiters schlüpft, der seinen Hammer so lange schwingt, bis seine Hände ganz rau sind, weil er sich und seine Liebste mit ehrlicher Arbeit ernähren will. An anderer Stelle aber fängt Springsteen durchaus die altbekannte Magie wieder ein, so in "Life Itself". Diese fast epische Geschichte einer Liebe, die an den Umständen scheitert, wirkt wie ein Remake von "The River".

Springsteen ist also ganz der Alte. Einerseits. Denn die E Street Band, die in den letzten Jahren allzu oft dazu neigte, sich mit rockistischen Versatzstücken zu begnügen, zeigt einige neue Seiten. Manche, wie die streichergeschwängerte Schnulzigkeit von "Queen of the Supermarket" hätte man vielleicht nicht unbedingt entdecken wollen. Andere aber enthüllen eine ungeahnte Leichtigkeit, ja bisweilen sogar Eleganz, die man der Altherrentruppe nicht zugetraut hätte: "What Love Can Do" ist ein prima vorwärts treibender Folkrocksong mit einem irgendwie irischen Gitarrensolo, "Surprise, Surprise" ein eingängiger Pop-Ohrwurm, "Good Eye" ein wundervoll hysterischer Redneck-Kneipenbrüller. Im gleich anschließenden Country-Versuch "Tomorrow Never Knows" wächst nicht nur im Text grün das Gras.

Bruce Springsteen ist stets der empfindlichste Seismograf seines Landes gewesen. Glaubt man ihm, dann ist Amerika neuerdings wieder auf dem Weg, das gute Amerika zu werden. Was der alte Herr kann, das sollte ein so junges Land ja wohl auch hinkriegen.

Bruce Springsteen: "Working On A Dream" (Columbia/SonyBMG)

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