Kontakte

Tschüss, Frau Arslan

Als ich ein Kind war, hatten wir keinen Farbfernseher. Wir haben in Schwarzweiß geschaut und ohne Fernbedienung. Zum Umschalten mussten wir vom Sofa aufstehen. Beim Telefon war es ähnlich: Unser Apparat war schwer und hatte ein meterlanges Kabel, über das jeder in unserer Familie mindestens ein Mal gestolpert ist.

Heute ist die Welt eine andere. Es wird anders telefoniert und anders ferngesehen. Und wir müssen lernen, mit all den Geräten zurechtzukommen. Unsere Tochter ist ein Jahr alt und hat vor kurzem damit angefangen: Als ich ins Wohnzimmer komme, steht sie am Couchtisch und hält sich etwas ans Ohr: die Fernbedienung. Meine Frau und ich stehen gerührt daneben: das allererste Telefonat unserer Tochter!

Am nächsten Tag steht sie wieder an derselben Stelle und telefoniert. „Schnell“, winkt meine Frau mich her, „es ist wieder so weit.“ Als ich versuche, ein Foto zu schießen, nimmt die Kleine die Fernbedienung vom Ohr und legt sie auf den Tisch. Sie grinst. Wenn sie so dasteht, mit leuchtenden Augen, dann möchte man am liebsten die Zeit anhalten.

Plötzlich höre ich eine leise Stimme. Es kommt vom Couchtisch. Ich gehe hinüber und sehe – da liegt nicht die Fernbedienung, sondern das Telefon. „Ist da eine wer?“, höre ich eine Frau rufen. „Ist da eine wer?“ Ich nehme den Apparat ans Ohr. „Entschuldigen Sie vielmals“, erkläre ich, „unsere Tochter. Sie hat heimlich auf dem Telefonhörer herumgedrückt.“ „Ach, kein Problem“, sagt die Frau. Das sei überall dasselbe heutzutage. Ihre zweijährige Enkelin Aysun zum Beispiel habe erst letztens beim Finanzamt angerufen. Wir lachen. Dann übergebe ich den Hörer noch einmal an unsere Tochter. Frau Arslan möchte Tschüss sagen. JOCHEN WEEBER