Richard Maxwells Minimal-Western: Dieses Amerika wird niemals älter

Unerlöste Helden, archaische Muster, wehe Country-Musik: Der US-amerikanische Theaterstar und Theaterverweigerer Richard Maxwell gastiert mit seiner New Yorker Truppe in Hamburg.

Schwarz-weiße Schattenspiele auf der Leinwand. Vorne auf der Bühne sind die Schauspieler zu sehen. Bild: kampnagel

Ein Minimal-Western ist angekündigt, und da kommen die beiden Cowboys auch schon, posieren sofort zum Showdown: der eine auf Knien um sein Leben bittend, der andere mit dem Zeigefinger am Abzug. Der stehende Mann, der den Tod bringt, wo immer er hinkommt, schaut schweigend mit sehnsuchtsvollem Blick in die Ferne. Der knieende Mann, so knapp wird er tatsächlich bezeichnet, macht viele große Worte, aber die schlechtere Figur. Er kippt tot zur Seite weg und geht wenig würdig in die ewigen Jagdgründe ein. Man sieht diese Szenen auch als Schattenspiel auf der Leinwand im Hintergrund. Die beiden Frauen, die noch auftauchen, wirken im Schattenriss mit ihren bodenlangen Röcken tatsächlich dem Saloon entsprungen. Neben ihnen kommt der lonesome Cowboy nicht nur als einsamer Wolf, sondern auch als Frauenbetörer daher.

Frauen und Seelenpräriemusik, Tod und Schmerz - alle Zutaten eines Westerns sind in diesem Abend enthalten. Das Schwarz-Weiß des Schattenspiels auf der Leinwand ist sogar eine richtige Reminiszenz an die Anfänge des Wildwestfilms und dessen düstere Poesie. Und doch entwickelt sich aus dem Showdown des Anfangs bald mehr ein Anti-Western. "Ode to the man who kneels", der neueste Abend des New Yorker Theaterstars Richard Maxwell und seiner Kompagnie, der jetzt in der Hamburger Kampnagelfabrik gastiert, hat keine Bösewichter, nur einen unerlösten Helden, der den Blick immer Richtung Sonnenuntergang ins Scheinwerferlicht richtet, immer dorthin, von wo die Aufmerksamkeit kommt.

Richard Maxwell, der in Amerika ganz locker die Kluft zwischen experimentellem und Mainstreamtheater schließt, geht sehr bewusst mit seinen Stilmitteln um. Spielweise und Bühnenbild sind reduziert. Die leere Leinwand im Hintergrund, auf der auch Westernfilme spielen könnten, füllt sich nur mit den Schattenrissen. Das zitternde Spotlight kommt aus einer kleinen Sperrholzkiste, in die ein Projektor eingebaut ist. Dass Blut fließt, Geier kreisen und Reiter am Horizont zu sehen sind, wird wie Regieanweisungen vorgetragen. Das ist bösartiger gedacht als gemacht. Jim Fletcher steht als Cowboy meist nur vorne an der Rampe. In seiner schweigsamen Trostlosigkeit steckt jedoch gerade der spitzfindige Diskurs. Vier Tote gehen am Ende auf seine Rechnung, sie starben beiläufig. Aber im Gegensatz zu den Mustern der Filmvorlagen, die hier Pate gestanden haben - am Anfang wirkt es sogar, als ob Maxwell Westernszenen nacherzählt -, ist nichts besiegt, nichts gewonnen, kein Ziel erreicht, das Böse nicht ausgemerzt.

Die Art und Weise, wie Maxwell mit Erwartungen an den American way of life umgeht, macht seine Arbeiten immer wieder auch für europäische Festivals und Theater interessant. Die Banalität amerikanischen Durchschnittslebens zeigte er in "Caveman", das 2003 gastierte, oder in "House", das ihn 1999 schlagartig in Deutschland bekannt machte. Ein Fremder taucht da zu Hause bei einer Familie auf. Wie nebenbei erschlägt er den Vater und erdrosselt den Sohn. Wow, sagt die Mutter und paart sich mit dem Eroberer.

Das archaische Muster des Mannes, der Konflikte mit dem Colt löst, lebt in dem neuen Maxwell-Abend. Glücklich sind die Figuren nicht damit, sie bleiben sehnsüchtig. Maxwell ist so sehr Verweigerer, dass auch immer die Theaterkonventionen zum Thema gemacht sind. Gespielt wird bei ihm immer mit einem gleichgültigen Duktus, der hohe Ton wird bewusst unterspielt, so bewusst, dass der Abend auch ziemlich viel von Konzepttheater ausstrahlt.

Das Spiel mit dem Genre Musical hat darin diesmal seinen Platz. Gesungen wird viel. In den von Maxwell an der Gitarre und Mike Iveson angestimmten Songs klingt weher Country ganz von Ferne durch. Während die Figuren auf der Bühne davon reden, jederzeit bereit zu sein, ihr Leben zu geben, geht es in den Liedtexten um ihre Schwächen. Aber auch um ihre Unsterblichkeit. "We dont become older", intonieren sie im Chor. Amerika ist immer noch ein junges Land, bevölkert und geführt von Männern mit Cowboyhüten - das suggeriert der Abend. Und karikiert es auch. Man könnte die Sperrigkeit und Konzepthaftigkeit abtun, würden einen Maxwells simple Bilder nicht doch bedrängen. Die Tiefkühlhappen erwärmende Hausfrau in "Caveman" genauso wie die Scherenschnitte der Cowboyfiguren. Wenn es einen fröstelt, dann wegen der so simpel funktionierenden Gefühlswelt, die Maxwell in der amerikanischen Seele zeigt.

"Ode to the man who kneels", Kampnagel Hamburg, 11. und 12. Februar 2009

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