Jugend ist eine Frage des Alters

Ironische Elektromusik mit Gitarren, quietschige Instrumentaltracks zum Davonlaufen und schmissige Pophymnen, die Tears For Fears die Tränen in die Augen getrieben hätten: Metronomy spielten im Scala und verbreiteten gute Laune

Ein Freitagabend in der großen Stadt. Die Jugend ist gekommen und steht für Eintrittskarten an, bis hinauf auf die Friedrichstraße. Wie hieß es früher auf MTV? „Youth is not a matter of age.“ In der Schlange vor der Scala kommen arge Zweifel an dem Satz auf.

Popmusik mag alterslos sein, die Bedingungen von Popmusik sind es nicht unbedingt. Der Freitagabend in der Scala liegt fest in der Hand einer Zielgruppe, die sich zwischen 18 und 25 bewegt, studiert oder gerade dem ersten Job nachgeht. Das oder die Scala ist ein Großstadt-, ein Hauptstadtladen, also ist das Bier nicht so billig wie in der Punk- oder Vorstadtvariante, und es läuft kein schrammeliger Indierock, sondern vorzugsweise Elektro. In der Nacht sollten Metronomy spielen, nach einer gar nicht schlechten Vorband namens Circlesquare, und danach und zwischendrin legten patente Electro-DJs spaßorientierte Tanzmusik auf (der Lustigkeit halber das unvollständige Line-up: Shir Khan, Jack Tennis, DJ Supermarkt).

Und der Laden war voll. Und bis Metronomy anfingen, war nicht klar, ob die jungen Leute überhaupt wegen der Band gekommen waren. Metronomy selbst, inklusive Vorband, hätte man sich auch an anderer Stelle mit anderem Publikum vorstellen können. Auch zu anderer Uhrzeit. Um zirka halb eins betraten die drei Engländer aus Devon eine Bühne, die im eigentlichen Sinn keine war, sondern nur eine kleine Empore neben den DJs. Ein nahtloser Übergang, der akustisch und räumlich passte. So fanden Band und Publikum sofort zu gemeinsamer Feierlaune; es gab sogar Publikum, das höher im Raum stand als die Band selbst. Metronomy, Gitarre, Bass, Saxofon, Beats aus der Rappelbox und unglaublich quietschende Synthiesounds, walteten schnell ihres Amts. Sie waren hier schließlich die Spaßkapelle. Also kam ironische Elektromusik mit Gitarren, also gab es quietschige Instrumentaltracks zum Davonlaufen und schmissige Pophymnen, die Tears For Fears die Tränen in die Augen getrieben hätten.

Viel mehr als Spaß wollte die Musik oft nicht sein. Aber das mit dem Spaß klappte. Was natürlich an den schön bescheuerten Moves der drei auf der Bühne, den runden Leuchten, die sie vor der Brust trugen, und dem Brachialsound lag, den sie präsentierten. Gabriel Stebbing, Bassist, und Sänger Joseph Munt ergänzten sich wie eben damals Tears For Fears: Stebbing gab den Sidekick mit Eunuchenstimme, den Discofalsettsänger, der die entscheidende Retronote in die Songs gab. Dabei trug er auch noch ein hässliches Kassengestell auf der Nase – Antisexyness, die inzwischen als cool durchgeht (fehlte nur der Schnäuzer). Mount in der Mitte sang von Herzbrüchen, Partymachen und der Liebe so im Allgemeinen; aber auf die Texte muss man bei Metronomy nun wirklich nicht achten. Trotzdem oder gerade deshalb waren Teile des Publikums sehr textfest. Oscar Nash schließlich trötete schräg in ein kleines Saxofon oder holte noch trötigere Sounds aus seinem Keyboard.

Metronomy, in der Popwelt mittlerweile besonders für ihre zahlreichen Remixe beliebt (sie remixten bereits Goldfrapp, die Gorillaz oder Franz Ferdinand), übrigens selbst mindestens Anfang dreißig, sind eine gute, leicht alberne, selbstironische Band. Gut einsetzbar gegen jede Art von Distinguiertheit und Altersstarre. Man höre sich die drei Spektren der Band einfach mal nacheinander an – den Popsong („Heartbreaker“), die Partynummer („Holiday“) und dann das durchgeknallte Instrumentalstück „The End of You Too“. Albern, aber toll. Und wer möchte schon immer cool durchkonstruierte oder politisch bewusste Musik hören? Man kann auch zu Metronomy greifen. Wie man wohl auch wieder Tennissocken tragen kann. RENÉ HAMANN