Zugleich zärtlich und brutal

Weltempfänger-Bestenliste: Die Kritikerjury aus Frankfurt am Main kürt Rawi Hages Beiruter Bürgerkriegsroman

Die Jury des „Weltempfängers“ mit Sitz in Frankfurt am Main kürt vierteljährlich herausragende Bücher aus Asien, Afrika und Lateinamerika, die ins Deutsche übersetzt wurden. Für das Frühjahr 2009 sind das:

1. Rawi Hage: „Als ob es kein Morgen gäbe“. Übersetzt von Gregor Hens (DuMont Buchverlag)Ein einzigartiger Text über Bürgerkrieg und Verbrüderung: phantasmagorisch und realistisch zugleich, zärtlich und brutal. Ein Verschmelzen der Gegensätze in rasanten Schnitten. So intensiv ist der gewalttätige Alltag, dass fast kein Platz bleibt für die üblichen Ideologien. (it)

2. Georges Anglade: „Das Lachen Haitis“. Übersetzt von Peter Trier (Litradukt Verlag) Große komische Literatur im Miniaturformat. The world in a nutshell, virtuos komponiert und ziseliert. Weltliteratur aus einer in unserer Wahrnehmung marginalisierten Ecke. Grandios. (tw)

3. André Brink: „Die andere Seite der Stille“. Übersetzt von Michael Kleeberg (Osburg Verlag)

Ein Stück deutsche Kolonialgeschichte, wie sie noch selten erzählt wurde. Hanna X, als Waise im Kaiserreich gedemütigt, bewirbt sich für Südwestafrika (dort werden Frauen gebraucht) und kommt von der Hölle ins Inferno. (ad)

4. Sergio Olguín: „Zurück nach Lanús“. Übersetzt von Matthias Strobel (Suhrkamp Verlag)

Gran Buenos Aires, der 13-Millionen-Moloch um die argentinische Hauptstadt, ist Brutstätte mafiotischer Gewalt und Schauplatz dieses Romans. In den Quartieren am Rande der Hauptstadt kennt jeder jeden, außerhalb des angestammten Territoriums kann sich der städtische Dörfler jedoch kaum bewegen. Eine packende argentinische Mafia- und Sozialgeschichte. (af)

5. Louis-Philippe Dalembert: „Jenseits der See“. Übersetzt von Peter Trier (Litradukt Verlag)

Ihre Familien leben bereits seit Jahrhunderten auf Haiti – und dennoch kommen die Nachfahren der einstigen Sklaven nicht zur Ruhe. Das Meer lockt und „jenseits der See“ scheint das Leben besser. (kb)

6. Gastón Baquero: „Testament des Fisches“. Übersetzt von Juana und Tobias Burghardt (Teamart Verlag)

Er ist der Dichter dreier Kontinente: Lateinamerika, Afrika, Europa – der Kubaner Gastón Baquero, der sein halbes Leben außerhalb seiner Heimat verbracht hat. (kmg)

7. Tomás Gonzalez: „Die Teufelspferdchen“. Übersetzt von Peter Schultze-Kraft (Verlag Edition 8)

Ein Mann flieht die kolumbianische Gesellschaft mit ihrer Gewalt und Korruption. In der Abgeschiedenheit seiner Finca versucht er, sich als Gärtner und Kunstsammler ein persönliches Paradies zu erschaffen. (kmg)

Die Jury: Ilija Trojanow (Vorsitz), Katharina Borchardt, Anita Djafari, Andreas Fanizadeh, Karl-Markus Gauß, Navid Kermani, Kristine Pfoser, Arno Widmann, Thomas Wörtche