ausgehen und rumstehen
: Im Monarch starten, im Kumpelnest enden: Chronik eines recht beschwingten Abends

Noch den ganzen Sonntag über und weit in den Montag hinein musste ich nach Samstag hysterisch über den besten Song von „Tex & Erobique“ kichern, die zwei Tage hintereinander zwei Sets im „Monarch“ spielten, und wer’s verpasst hat, sollte sich gehörig schämen, ohrfeigen, zersägen, spalten und aufstapeln.

Denn im „Bahn-Song“ hatte Erobique alias Carsten Meyer – der Brian Wilson Westfalens, die Partynudel der Herzen, der Schnellzeichner Oskar der Post-Dalli-Dalli-Generation, der innere Isaac Hayes, der Heinz Erhardt in cool – eine eigenständige Tanzchoreografie zum Beat/Orgelgewummer ausgearbeitet, sie bestand aus acht berückenden Teilen: 1. Teil: Mit einer brustschwimmähnlichen Bewegung wird der Waggon betreten. 2. Teil: Angedeutetes Hinsetzen. 3. Teil: Reservierung, es wird mit einem imaginären Stück Papier gewedelt, während die andere Hand vorwurfsvoll draufzeigt. 4. Teil: Laptop aufklappen. 5. Teil: Bier in den Rachen schütten. 6. Teil: Laptop zuklappen. 7. Teil: Wieder raus aus dem Scheißzug. 8. Teil: Handy zücken, erst mal Freundin anrufen. Alles straight im Achttaktschema eines 70er-Funk-Dancefloor-Pleasers, von Tex, der keinen Bart mehr trägt und dadurch aussieht wie sein eigener prachtvoller Enkelsohn, rhythmisch verlässlichst gestaltet.

Dass ich nicht vor Lachen umgekippt bin, lag nur daran, dass sich so viele andere Menschen um mich herum beömmelten, die mich zwangsweise auffingen. Das zweite Set, in dem laut späterer Kolportage auch noch ein Stück mit Variationen ihrer Namen („Tex und Erobique … sind wie Sex und Erotique …“) entzückte, habe ich mir leider geschenkt bzw. eben nicht geschenkt, denn ich musste mit der U-Bahn zur Potsdamer Straße reisen und wurde dort auch gleich von einer sehr höflichen und modeaffinen Junkiebraut mit Hund, Bier und winzigen Pupillen auf mein schickes Schuhwerk angesprochen. Nachdem ein paar Einkauftipps gewechselt worden waren, verabschiedeten wir uns herzlich und ich raste zum Ex & Pop, in dem eine Gedenkfeier für das am 1. März vor 22 Jahren auf Sendung gegangene Radio 100 stattfand, ein absolut toller Sender, ich kann mich noch gut an meine Lieblingssendung mit Mr. Blowfish und die ganzen Skandalgeschichten zur Schließung erinnern, plötzlich verschlossene Türen nach monatelangen hübschen Spendenaufrufen: „Ich heiße Klaus und arbeite zusammen mit vielen anderen in einer großen Fabrik“, während im Hintergrund asiatische Plingelplangelmusik läuft, und jemand „Hunger!“ schreit. Außerdem hatte ich dort mal einen Gutschein für All-you-can-eat-Eis bei Häagen Dazs gewonnen, und nach meinem epochemachenden Besuch haben die solche Gutscheine garantiert nicht mehr rausgegeben.

Leider hatte außer mir und ungefähr sieben anderen Menschen niemand etwas von der Radioparty mitbekommen, und so kauten wir verloren auf der Theke herum und schauten bei der Live-Wiedergabe der Sendung „Zoff!“ einer Doors-Coverband zu, die etwas zu lange coverten; und trotz technisch einwandfreier Ablieferung kann einen nach einem Abend mit Erobique ja auch so schnell kein Organist mehr in Ekstase versetzen, ich sag’s, wie es ist. Doch weil die Potse so schön lang ist, trudelten wir am Ende noch auf drei Promille ins Kumpelnest, kuschelten uns an Plüschfransen und schauten Transen beim Bootyshaken zu der erstaunlicherweise gar nicht so schlechten neuen Depeche-Mode-Single „Wrong“ zu, bis wir doppelt so viele Fransen und Transen wahrnahmen, gleichzeitig zwar nicht mehr wussten, wer was ist, jedoch wussten, dass der Augenblick gekommen war, die Straße mit der dichtesten Taxidichte Berlins zu verlassen, denn „dicht“ war ein passendes Stichwort. JENNI ZYLKA