Gegen den Status quo

Ominöser Name und merkwürdiges Gesamtkunstwerk: In einer Zeit, in der das Musikfernsehen daniederliegt, engagieren sich Tannhäuser Sterben & das Tod noch mal für die Kunstform Videoclip

Vier düstere, dekonstruktivistisch zerpflückte Songs, weitgehend ohne Worte und Gesang – und wenn doch, ist die Stimme digital verzerrt

VON JAN KAGE

Hinter dem ominösen Namen Tannhäuser Sterben & das Tod stehen die Musiker Thomas Mahmoud und Gerald Mandl. Mahmoud, ehemaliger Sänger der Gruppe Von Spar, und Mandl, einer der zwei von Mediengruppe Telekommander, sind beide eher für parolenschwangere Texte bekannt, laut herausgebrüllt und plakativ. Hier gehen sie ganz andere Wege. Vier düstere, dekonstruktivistisch zerpflückte Songs, weitgehend ohne Worte und Gesang und wenn doch, dann ist die Stimme in digital verzerrter und zerstückelter Form auf die Musik montiert.

Bei Tannhäuser Sterben & das Tod läuft einiges gegen den Status quo. In einer Zeit, in der das Musikfernsehen bloß noch sozialdarwinistische Datingshows bringt, nehmen hier zwei Musiker das Format Videoclip noch mal als Kunstform ernst und produzieren zu jedem der vier Lieder dieser EP einen kleinen Film. Aber nicht nur dem daniederliegenden Musikfernsehen hat man Trotz und Eigeninitiative entgegenzusetzen. Auch auf die Krise der Plattenindustrie haben Mahmoud und Mandl eine konsequente Antwort. Sie gehen zurück zu ihren Punkrock-do-it-yourself-Wurzeln und veröffentlichen ihre DVD-EP auf dem eigenen Label Editionmutation. Krise? Welche Krise? Selbst ist der Künstler, auch wenn das Selbstausbeutung heißt.

Für die Videoclips hat man vier befreundete Regisseure angeheuert, die sich jeweils eines Stückes angenommen haben. Deren Bildsprache ist düster und morbide in Schwarz-Weiß gehalten. „Ich fand es bei der Auswahl der Regisseure wichtig, dass sie zwar gemeinsam auf die Stimmung der Musik eingehen, aber dennoch ihre eigene Bildsprache sprechen“, erzählt Mahmoud. Das ist so weit gelungen. Jeder dieser Filme hat einen eigenen Look. Daniel Berwanger ist etwa der einzige der Regisseure, der mit einem Schauspieler arbeitet.

Pausen lassen die Musik des Stückes „Urschleim“ atmen. Dazu montiert Markus Wambsganss schraffierte Muster mit verwackelten Bildern von Oberleitungen und Strommasten. Man hört quasi den Strom im Kabel singen. Ein Grauschleier hängt über allen Bildern, dann schwillt das Tempo der Schnitte synchron zum Crescendo der Musik an.

Obskur und verstörend der Beitrag von Martin Sulzer. Er unterlegt die Musik von „Endfilm“ mit Details eines nackten Körpers auf schwarzem Hintergrund – den zuckenden Schulterblättern, dem Close-up auf ein Muttermal, Hand und Arm im grauen Licht und immer wieder mit der wie der Panzer eines ausgestorbenen Urviechs wirkenden Wirbelsäule eines gekrümmten Rückens. „Endfilm“ ist als einziger Clip nicht in Schwarz-Weiß gedreht, allerdings sind die Farbwerte so weit reduziert, dass dies erst auf den zweiten Blick auffällt.

Ganz wunderbar der Trickfilm zu „Freischwimmer“. Eine schwarze Spinne schlüpft mit fetten, haarigen Beinen aus einer weißen Pfütze in eine Landschaft, die mit seltsamen weißen, explodierenden Eiern bedeckt ist, und baut aus schwarzen und weißen Streichhölzern eine Stadtstruktur. Irgendwie situationistisch, die Ebenen durchwirken und überkreuzen sich. Zwischendurch tanzt die Spinne dann auf einem im Nachthimmel hängenden Mond. Wieder schwillt die Musik an. Die Stadt wächst und wächst, nur um dann wieder von derselben Spinne demontiert zu werden. Ganz am Ende bleiben nur die Eier übrig, und die Spinne kriecht in die Ursuppe zurück.

Bei Tannhäuser Sterben & das Tod ist alles ganz seltsam, die Musik selbst und die Clips dazu auch. Nichts trägt eine klare, eindeutige Botschaft. Es sind eher Stimmungen und Momente, die hier poetisch erforscht werden. Die Musik entstand in vier nächtlichen Sessions im Februar 2008, wurde dann arrangiert und bearbeitet und zu guter Letzt den Regisseuren überlassen. Tannhäuser Sterben & das Tod sind ein merkwürdiges Gesamtkunstwerk.

Filme & Liveacts s. www.myspace.com/unddastod; die DVD (limitierte Auflage von 100 Kopien) ist zu bestellen über: www.editionmutation.de