Big Brother, We Are Watching You

Das „ueber Macht.Filmfestival“ macht in Bremen Station

Ein Kinobesuch ist auch immer ein kollektives Erleben und die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, werden kaum ausgeschöpft. Die Initiative „Die Gesellschafter“ setzt hier an, indem sie Programme mit politisch wichtigen Filme durch die Republik schickt, und für jeden einzelnen Film in jeder einzelnen Stadt eine Initiative findet, die zu der Vorstellung ein Rahmenprogramm mit Experten und Diskussionen organisiert. In den letzten beiden Jahren gingen so Programme zu den Themen „ueber Arbeit“ und „ueber Morgen“ auf bundesweite Tourneen, und der Erfolg ist zwar schwer zu messen, weil ja das Bewusstsein der Zuschauer erweitert werden soll, aber wenn jetzt schon die dritte Fuhre losgeschickt wird, müssen die Organisatoren ja irgendetwas richtig machen.

Unter dem Motto „ueber Macht“ geht es diesmal um Kontrolle, um Manipulation und den Kampf um Selbstbestimmung. Von diesem Freitag an werden in den Kinos Atlantis und Schauburg bis zum 7. April 13 Dokumentationen mit diesem Schwerpunkt gezeigt. Zum Auftakt ist das Regiedebüt von Sandrine Bonnaire mit dem Titel „Ihr Name ist Sabine“ zu sehen. Darin erzählt die französische Schauspielerin von sich und ihrer autistischen Schwester. Als lokale Filmpartner haben der Verein „Hilfe für das autistische Kind“ und das „Institut für Autismusforschung“ eine anschließende Diskussion organisiert, wo dann Experten direkt auf anlässlich des Films auftretende Fragen antworten und die weiterführende Thematik darstellen können. „Amnesty International“ und „Terre des Femmes“ sind am Sonntag Partner bei der Aufführung von „Die Schuld eine Frau zu sein“ des Regisseurs Mohammed Naqvi, in dem davon erzählt wird, wie die Pakistanerin Mukhtar Mai sich nicht, wie in ihrer Kultur gefordert, nach einer Vergewaltigung aus Scham selber tötete, sondern die Täter, einen benachbarten Clan, der ein angebliches Verbrechen ihres Bruders rächen wollte, gegen große Widerstände vor Gericht bringt. Mit der Entschädigung gründet sie in ihrem Dorf eine Schule für Mädchen und kämpft so weiter gegen die patriarchalische Vorherrschaft. In “Faustrecht“ wird das Problem jugendlicher Straftäter genauer analysiert, in Zuoz - Schule der Elite“ wird gezeigt, welche Lernbedingungen in einem exklusiven Internat in den Schweizer Bergen herrschen und „Monsanto, mit Gift und Genen“ ist eine enthüllende Recherche der Methoden eines Biotechnologie-Konzern, der “wissenschaftlich belegt“, dass genmanipulierte Lebensmittel sicher seien.

Zu den Partnern in Bremen zählen „Attac“, „Greenpeace“m die „GEW“ und die „Heinrich Böll Stiftung“. Anders als bei früheren alternativen “Filmtagen“, bei denen die Inhalte den Veranstaltern so wichtig waren, dass sie kaum Wert auf die Form legten, und viele gezeigte Filme sich als reine Informations- oder Propagandawerke entpuppten, bei denen selbst nach Anfrage die Namen der Regisseure nicht zu erfahren waren, überzeugen die Filme hier meist auch künstlerisch. So etwa „Die Dünnen Mädchen“ von Maria Teresa Camoglios, der tiefe Einblicke in die Mechanismen der Magersucht gewährt. Dabei verzichtet sie (von wenigen Fotos abgesehen) ganz auf die schockierenden Bilder, die man sonst mit dieser Krankheit assoziiert. Und auch jenes Vorurteil, dass die jungen Frauen in erster Linie übertrieben dem in den Medien verbreiteten Schönheitsideal nacheifern, ist schnell aus den Köpfen, wenn die Frauen davon erzählen, durch was die Anorexie bei ihnen ausgelöst wurde und wie sie dann in den Teufelskreis dieser Sucht gerieten. WILFRIED HIPPEN