unterm strich
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Der alte Schiller! Der wäre, lebte er heute, nicht etwa Buchautor. Warum auch? Und fürs Theater schreiben täte er ebenfalls nicht. Das gab Ulrich Raulff, seines Zeichens Direktor des ebenso ehrwürdigen Deutschen Literaturarchivs in Schillers Geburtsstadt Marbach, der Nachrichtenagentur dpa zu Protokoll. Was Schiller stattdessen machen würde? Er würde sich in einem Medium austoben, „wo er heute die stärkste Power spüren würde. Er würde bloggen oder drehen, twittern oder irgendwas“, sagte Raulff. Der vor 250 Jahren geborene Dichter sei ganz gezielt „als Medienunternehmer in das damals wirkungsvollste und stärkste Medium reingegangen: ins Theater“, so der Schiller-Experte. „Von der Intensität, wie er dieses Medium erobert und nutzt, könnte man schon sagen, wäre zu erwarten, dass er heute vermutlich nicht Stückchen schreiben würde für Suhrkamps Theaterverlag, sondern nach einer anderen, stärkeren Maschine greifen würde.“ Für die Medien, die jetzt das Geschäft bestimmten, sei Schiller daher „zukunftsträchtiger als Goethe“. Sein Pathos treffe noch immer. „Das bei Schiller ist kein falsches, klapperndes Pathos, das ist ein Pathos, das aus der Seelenkenntnis kommt und den Zeitgenossen unmittelbar anspricht, anspringt geradezu.“ Schiller-Einsteigern empfiehlt Raulff eine 40-seitige Erzählung: „Der Verbrecher aus verlorener Ehre“.