Neues Album von Peaches: Der Freak des Mainstream

Das Album "I feel cream" will zu sehr Zeitgeist sein - und die kanadische Künstlerin Peaches läuft jetzt im besten Fall noch unter Ironie. Schade, denn als Kunstfigur ist sie nach wie vor heißer Scheiß.

Sieht auch im biblischen Alter von 40 noch blendend aus: Merill Beth Nisker alias Peaches. Bild: promo

Frage: "Hey, Peaches, du verhälst dich so männlich auf der Bühne!" Antwort: "Nein, ich gebe nur 500 Prozent!"

Mit dem Song "I feel love" umschmachtete Donna Summer vor mehr als 30 Jahren die Discogemeinde und wurde halb stöhnend, halb singend zur glamourösen Nightlife-Ikone. Heute singt Peaches dagegen "I feel cream", und der Glamour hat Pause. Dass sich zum Titelsong ihres neuen Albums auch Bilder einstellen, die weniger an sonntägliche Kuchenschlachten als an einschlägige Internetseiten erinnern, ist nicht zufällig, sondern gewollt.

Statt Liebe ist Sex in all seinen Darreichungsformen das Dauerthema der langjährigen Wahlberlinerin Merill Nisker, die teilhatte an der exilkanadischen Posse um Gonzales und Co. Aber hieß es nicht mal "Lass uns nicht von Sex reden"?

Wer Sex sagt, muss auch Macht denken, und der Grat zwischen dem Diskurs als Herrschafts- und Kontrollinstrument und dem der Befreiung ist schmaler als jede Körperöffnung. Im Diskurs über Sex und Geschlecht werden die Wirkungsweisen der Macht erst so richtig offenkundig. Es mag paradox erscheinen, dass wir im Glauben, durch das Reden über Sex die vermeintliche Befreiung zu erlangen, nur immer noch mehr unter die Knute gesellschaftlicher Machtstrukturen geraten. Unbestritten bleibt, dass trotz emanzipatorischer Bemühungen Sex und Körper weiterhin Tauschmittel und Kampfzone bleiben.

Damit ist vor allem der weibliche Körper gemeint, vor allem auch immer wieder gern und bevorzugt auf dem Feld der Popkultur. Sex and Drugs im Rock n Roll. Mit "Fuck the pain away" und "Lovertits" schleuderte Peaches vor knapp zehn Jahren zwei Subkultur-Hits unter die gendergeschulte Masse. Sie wedelte dazu mit Dildos, wackelte in ihren pinkfarbenen Hotpants, zeigte ihre unrasierten Achseln. Die Haltung von Peaches entsprach einem aggressiven, dominanten Umgang mit Sexualität, es war der Versuch einer selbstbestimmten Repräsentation des weiblichen Körpers, zwischen Bewunderung und Furcht, Verehrung und Ablehnung. Auf jeden Fall voller Irritationen. Auch ihr Sound klang auf arschtretende Weise radikal: reduzierte Schlagzeugmaschinenbeats, einfache Basslines, dazu schleuderte sie fordernde Rap-Reime heraus: "What else in the teaches of Peaches? Like sex on the beaches. Huh? What? Right. Uhh." Einmal in Gang gekommen, war der Peaches-Hype nicht mehr zu stoppen. Alle wollten fortan die Performances der kanadischen Musikerin erleben. Begleitet waren ihre Konzerte von Zustimmung, Befreiungsmomenten und wie gleichzeitig auch von dem schlichten voyeuristischen Blick. Glotzen und schaudern. Gaffen und grinsen. Peaches machte eine Sexmusikshow, die die Regeln bestimmt und sich gleichzeitig ausliefert.

Wer verkauft hier wen? Und ist das bei der Ware Sex überhaupt noch auszumachen? Auf jeden Fall hatte Peaches ein Alleinstellungsmerkmal. Dann tauchte "Fuck the pain away" auch als Soundtrack der Filme "Lost in Translation" und "Jackass" auf. Peaches spielte im Vorprogramm von Marylin Manson, nahm ein Duett mit Iggy Pop auf. Sie war angekommen im Mainstream, wurde dort aber als Freak einsortiert. Schließlich wurde sie zur Queen des Elektroclash, einem Hype, der, so schnell er gekommen, auch wieder vorüber war. Nur um dann wie der berühmte Phönix als New Rave aus der Pop-Asche aufzusteigen. "I dined and dashed on Electroclash / And outlast the backlash", singt sie auf ihrem neuen Album etwas gequält. Letztendlich sind die Genres bloß Zuschreibungen, die ihr herzlich egal sind, wenn nicht sogar willkommen. Mittel um Klischees zu brechen, seien sie musikalischer, sexueller Art oder auch das Älterwerden im Pop betreffend.

Schließlich hat Peaches schon das biblische Alter von 40 Jahren erreicht: "Never mind my age / Its like Im breaking out of a cage." Produziert wurde ihr Album aber von einer Reihe jüngerer Musiker, die im Zuge der Ed-Banger-Welle mit Pogo-Rave-Sound die Dancefloors dieser Breitengrade erstürmt haben: Simian Mobile Disco, Digitalism und Soulwax.

Und genauso kalkuliert klingt "I feel cream" leider auch. Abgesehen von der Neuheit, dass Peaches nun den einen oder anderen Song tatsächlich als Sängerin performt, was ihr außerordentlich gut steht. Hervorzuheben wäre außerdem noch das großartig aus der Reihe tanzende Stück "Billionaire", im Duett mit den lesbischen afroamerikanischen Rapperinnen Yo Majesty. Insgesamt aber will "I feel cream" zu sehr Zeigeist sein - wird so allerdings zum Zeitgeist anno 2007. Gerne möchte man darum mal im Studio die Effektgeräte geraderücken und den Distortionregler kaputtschlagen. Live kommt der New-Rave-Sound dann auch endgültig im Retroformat an: im echt-falschen Rocktheater nämlich, schlüsselfertig für die großen Festivalbühnen dieser Welt. Nicht jedes Gitarrensolo ist automatisch machistisch. Aber es kommt schon drauf an, welche Musikerin da gerade spielt. Im besten Fall läuft Peaches jetzt noch unter Ironie. Eine Ironie allerdings, die nichts mehr mit der Subversivität zu tun hat, zu der sie mal als Stilmittel angetreten war, sondern die aus sicherer Distanz entsteht. Und das Publikum trotzdem zielsicher und dezibelstark bedient. Wo bleibt die Differenz, Frau Merill Beth Nisker? Fazit: As weibliche Kunstfigur ist Peaches nach wie vor außergewöhnlich und unerlässlich, musikalisch aber nicht mehr unbedingt.

Peaches "I feel cream" (XL)

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