Der Kindersoldaten-Rap

„War Child“ von Christian Karim Chrobog läuft im Kino 46

VON WILFRIED HIPPEN

In Afrika haben Kinderlieder solche Texte wie „AK 47 is my father and mother“. Besungen wird da das Kalaschnikow-Maschinengewehr, und die Kindheit von Kindersoldaten wurde und wird tatsächlich so grausam zerstört, dass die Waffe zu ihrem einzigen Versorger und Beschützer wird. Es ist aber auch kein Zufall, dass gerade anhand eines Liedes dieser Zustand dokumentiert und deutlich gemacht werden kann, denn die Musik spielt in den afrikanischen Kulturen eine viel elementarere Rolle als in den modernen Ländern. So ist es auch bezeichnend, dass eine der extrem seltenen Erfolgsstorys von einem ehemaligen Kindersoldaten darin besteht, dass aus Emmanuel Jal ein international erfolgreicher Rap-Musiker geworden ist.

Der im Südsudan geborene Emmanuel Jal verlor als Siebenjähriger seine Mutter und wurde in einem Trainingscamp in Äthiopien zum Soldaten ausgebildet. Von den 400 Kindern, die 1991 desertierten, überlebte nur ein Dutzend – und er war einer von ihnen. Auch danach hatte er unwahrscheinliches Glück, denn die weiße Mitarbeiterin einer Kinderhilfsorganisation schmuggelte ihn nach Kenia, wo sie ihn adoptierte und in eine Schule gehen ließ. Als sie nach einen Autounfall starb, stand er als 13-Jähriger wieder allein da, aber inzwischen hatte er sich schon so gut weiterentwickelt, dass er sich als Musiker durchkämpfen konnte, bis er im Jahr 2005 mit seinem Song „Gua“ einen Hit in Kenia landete, der zu seiner internationale Karriere führte.

Der Filmproduzent Christian Karim Chrobog ist der Sohn eines deutschen Diplomaten und wurde mit seiner Familie 2005 im Jemen entführt und nach vier Tagen wieder freigelassen. Er wollte als seine Regiedebüt eigentlich eine harmlose Musikdokumentation drehen, stieß aber dabei auf Jal und seine erstaunliche Biografie. Manchmal reicht solch eine Geschichte, um einen Film sehenswert zu machen. „War Child“ ist eher ein Dokument als eine überzeugende Dokumentation. Da wird oft unbeholfen erzählt, manchmal verirrt man sich als Zuschauer geradezu in den verschiedenen Ebenen des Films. Zwischentitel, in denen oft entscheidende Informationen „nachgeschoben“ werden, sind optisch nicht von den Untertiteln zu unterscheiden, sodass manchmal gesprochenes Wort und geschriebener Kommentar irritierend vermischt werden. Chrobog begleitete den inzwischen 28-jährigen Emmanuel Jal auf verschiedenen Reisen in Europa, den USA und schließlich nach 20 Jahren auch zurück in sein Heimatland Südsudan. Bei den Bildern spürt man nie eine eigene Vision oder auch nur eine dringliche Neugierde des Filmemachers. „War Child“ ist kompetent fotografiert, aber das war es dann auch schon.

Aber was für ein Thema, was für ein Material! Die besten Aufnahmen stammen aus einer Dokumentation aus den 80er Jahren, in denen der damals siebenjährige Emmanuel schon sein beachtliches Showtalent entfaltet, indem er als eine Art Fremdenführer die Filmemacher durch „sein“ Flüchtlingslager führt. Der Emmanuel von heute ist der gleiche Sonnyboy geblieben – umso eindrucksvoller sind seine Schilderungen des Schreckens seiner Kindheit. Ein Treffen mit afroamerikanischen Schülern und als dramaturgischer Höhepunkt seine Heimkehr ins Dorf der Eltern sind voller hochinteressanter Momente, aber aus all dem hätte man einen besseren Film machen können.