MICHA BRUMLIK GOTT UND DIE WELT
: Anbiederung statt kritischer Dialog

Den iranischen Botschafter einzuladen fördert die Reformkräfte im Iran nicht

Die Grünen-nahe Stiftung „Weiterdenken“ in Leipzig sorgt sich um den Weltfrieden und begibt sich auf glattes Terrain. Sie plant am 16. Juni ein Podium mit dem iranischen Botschafter, Ali Reza Sheikh Attar, und einem Experten der Stiftung „Wissenschaft und Politik“, Johannes Reissner. Die Stiftung „Weiterdenken“ will nach eigener Auskunft „in Sachsen Ideen, Orientierung, Engagement und konkrete Konzepte für die sozialen und ökologischen Lebensgrundlagen, für eine demokratische, libertäre, solidarische und zivile Gesellschaft fördern.“

Mit diesen Gästen? Warum man sich in Sachsen an ein Projekt wagt, an dem sich schon vor Jahren die Zentrale der Böll-Stiftung in Berlin verhoben hat, nämlich an einem „kritischen“ Dialog mit dem Iran, bleibt unklar. Dieser Dialog ist schon damals gescheitert, die oppositionellen iranischen Teilnehmer haben dafür bitter büßen müssen. Sonst ist nichts passiert, als dass die politische Führung des Gottesstaates auf ihrem Weg zur Nuklearmacht entschlossen weitermarschiert ist. Derzeit steht das Regime kurz vor dem Besitz atomarer Waffen, mit denen nicht nur Israel, sondern das politische Gleichgewicht im ganzen Nahen Osten bedroht wird: Erst kürzlich hat es eine Mittelstreckenrakete getestet, die keineswegs die Aufgabe hat, Wettersatelliten ins All zu transportieren.

Ob und wie sich die vom Iran ausgehende Bedrohung in den nächsten Monaten wird abwenden lassen, ist eines der Hauptthemen des neuen US-amerikanischen Präsidenten: Indem er versucht, dem israelischen Premier Netanjahu das „Iranargument“ zu entwinden, damit es nicht mehr als Ausrede dafür verwendet werden kann, im Westjordanland weiter zu siedeln, bietet er dem Iran nach Jahrzehnten Gespräche auf Augenhöhe an. Ein Angebot, das bisher von Teheran in keiner Weise honoriert wurde. Im Übrigen können alle Hoffnungen, mit Charmeoffensiven die iranischen Präsidentschaftswahlen zu beeinflussen, jetzt schon als gescheitert gelten. Der wahre Machthaber im Lande, der „Revolutionsführer“ Chamenei, hat sich so eindeutig zugunsten des Israelhassers Ahmadinedschad ausgesprochen, dass dessen Wiederwahl so gut wie sicher ist.

Mit der Einladung wird die Stiftung „Weiterdenken“ also nicht die iranischen Reformkräfte fördern, sondern lediglich die herrschende Politik prämieren. Der Botschafter wird erfreut nach Teheran berichten können, dass sich sogar die menschenrechtsfixierten Grünen zu einem realistischen Standpunkt durchgerungen haben: Ist er doch selbst ein Mann, der dem Regime stets handgreiflich zu Diensten war, etwa als Gouverneur der damals aufständischen Provinzen Kurdistan und West-Aserbaidschan von 1980 bis 1985. Aber auch Attars Gesprächspartner Johannes Reissner ist nicht nur ein wertfrei urteilender Experte, sondern Parteigänger der deutschen Exportwirtschaft; vor einiger Zeit las sich das aus seiner Feder so: „Zum Hauptproblem deutscher und europäischer Iran-Politik wurde, dass sie nur unzureichend an Irans Grundinteressen anknüpfte: Sicherheit und Entwicklung. Dabei meint Sicherheit neben territorialer Unversehrtheit vor allem auch Regimesicherheit.“

Als letztes Argument für die Einladung könnte immerhin gelten, dass Stiftungen auch die Funktion haben, innenpolitische Entwicklungen vorwegzunehmen. Allerdings sticht auch diese Karte nicht: Jürgen Trittin, der sich kürzlich mannhaft gegen Waffenexporte an den Operettenstaat Katar ausgesprochen hat, weil das den iranischen Nachbarn verärgern könnte, wird nach der Bundestagswahl mit Sicherheit nicht Außenminister. Sollte es zufällig zu einer Ampel kommen, ist dieser Posten Guido Westerwelle sicher. Trittin wird sich weiter ums Flaschenpfand kümmern.

Wenn also die Einladung des Botschafters die Reformkräfte im Iran nicht unterstützen kann, weil der Eingeladene nicht zu den Reformkräften gehört und die Wahl ohnehin entschieden ist; wenn schließlich nicht einmal die Partei der Grünen von dieser Einladung profitiert und die Einladung nur dazu führt, den Vertreter eines totalitären Regimes aufzuwerten – was soll das Ganze dann noch? Ist hier wirklich weitergedacht worden? Oder war es nicht doch eher gut gemeint, schlau gedacht, aber am Ende dumm gelaufen! Einsicht und Umkehr sind noch niemandem negativ angerechnet worden, kurz: die Stiftung „Weiterdenken“ wäre gut beraten, weiter zu denken und die Veranstaltung zum jetzigen Zeitpunkt einfach abzusagen – nach den iranischen Präsidentschafts-, den deutschen Bundestagswahlen sowie weiteren Schritten Obamas wird man weitersehen.

■ Micha Brumlik ist Publizist und Professor an der Universität in Frankfurt am Main