Candida Höfers Fotos im Museum Morsbach: Erst die Wurst, dann die Symmetrie

Bisher kennt man die Fotografin Candida Höfer als präzise Protokollantin der Hochkultur. Das Museum Morsbroich in Leverkusen zeigt nun ihr Frühwerk.

Candida Höfer: Zoologischer Garten Madrid I, 1995 Bild: 2009 vg bild-kunst, bonn

Mit Neuentdeckungen im Werk von Candida Höfer hat wohl niemand mehr so richtig gerechnet. Das Repertoire der Kölner Fotografin schien ausgereizt. Ihre Bilder, meist riesige Formate, zeigen Orte des Wissens und der Bildung, statuarisch inszenierte Innenräume von Bibliotheken, Theatern und Museen. Umso größer sind die Überraschungen, mit der die exzellente Werkschau "Projects Done" im Museum Morsbroich in Leverkusen aufwartet, die 14 Projekte umfasst und mit dem Architekturbüro Kuehn Malvezzi eingerichtet wurde.

Erstmals präsentiert Candida Höfer auch Arbeiten aus ihrer Anfangszeit, von denen bislang lediglich klitzekleine Referenzbilder in Katalogen zu sehen waren. Sie zeigen die Künstlerin von einer ganz neuen Seite: als neugierige Flaneurin und teilnehmende Beobachterin. Dabei erkundet sie oft Bereiche, die eher von Männern dominiert werden. Nie zuvor öffentlich ausgestellt waren ihre schwarzweißen Fotografien von Flipperautomaten von 1973. Schon hier fällt das Interesse der Künstlerin auf für Reihungen und soziale Räume, hier Imbissstuben, Spielhallen und Kneipen. Doch anders als in den menschenleeren Räumen der Hochkultur wird Candida Höfer hier unmittelbar mit den Besuchern und deren Reaktionen konfrontiert, etwa mit erstaunten oder amüsierten Blicken, zuweilen aber auch abwehrenden Körperhaltungen.

Wenige Jahre später fotografierte Candida Höfer Türken in Köln. Nicht im dokumentarischen Sinn, sondern aus dem Blickwinkel einer herumschwärmenden Nachbarin, die auf Märkten, in Kulturvereinen, Geschäften und Wohnungen eine ihr fremde Parallelwelt zu verstehen versucht, mit einem Gespür für Leichtigkeit und humorvolle Momente, das ihren späteren Arbeiten völlig abgeht. Zugleich verweisen Bilder wie das einer Metzgerei, die mit kunstvoll geschichteten Lebensmitteln und girlandenartig gehängten Würsten dekoriert ist, auf die Vorliebe der Künstlerin für Symmetrien und Ordnungen.

Einer konzeptuellen Regel folgt hingegen die Inszenierung der Dia-Doppel-Projektion "80 Pictures". Zunächst werden in der linken Projektionshälfte Orte und Aufnahmejahr des folgenden Bildpaares genannt, auf der rechten Seite deutet ein Begriff auf inhaltliche oder formale Gemeinsamkeiten. Nicht immer wird eine eindeutige Leserichtung vorgegeben. Darin und in der Verbindung von scheinbar disparaten Motiven erweist sich Candida Höfer als Vorläuferin aktueller Positionen der Kunst.

Die schlichten Podeste für die Projektoren sowie eine passende Bank für Besucher stammen vom Team Kuehn Malvezzi. Das Berliner Büro wurde schlagartig berühmt, als es die Binding-Brauerei zu einem Ausstellungsort der documenta11 umbaute. Kennzeichnend sind die Zurückgenommenheit der blockartigen weißen Einbauten und offene Parcours. Candida Höfer lernte die Architekten kennen und fotografiert seit 2002 deren Neu- und Umbauten.

Für die Ausstellung in Leverkusen hat das Büro zwei Dia-Räume, einen Studienplatz und Tischvitrinen entworfen. Letztere zeigen etwa die in drei Reihen angeordneten Flipperbilder. An den Ecken und Rändern überlappen die Abzüge und schaffen so visuelle Übergänge und Querverweise. Das Flanieren der Fotografin findet so Entsprechung in der Präsentation. In der Abfolge ihrer Entstehung sind hingegen die Abzüge der neuen Serie "On Kawara" gelegt, für die Candida Höfer die Besitzer von Datumsbildern von Kawara besuchte. Mit Ausnahme der türkischen Wohnungen widmete sich die Fotografin ansonsten nur öffentlichen Orten. Nun schaut sie in die Wohn-, Schlaf- und Badezimmer, Ateliers und Büros der Kunstbesitzer. Zwar mit Distanz, doch auch mit spürbarer Neugier, wie Kunst privat inszeniert wird.

Fragen der Präsentation sind bei Candida Höfer ein bildimmanentes Thema. Weil in Leverkusen auch die Hängung selbst nach Maßgabe der jeweiligen Projekte gestaltet ist, ist ein perfektes Zusammenspiel von Kunst und Raum entstanden.

Bis 2. August 2009, Museum Morsbroich, Leverkusen. Katalog (Buchhandlung Walther König), 30 €

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