Oldenburg feiert atomgelb

TRENDSPORT Seit drei Wochen ist Basketball der angesagteste Sport in Oldenburg. Zum Finale gegen Bonn bekamen wahre Fans keine Tickets mehr, die neuen mussten erst lernen, wie man Oldenburg krakeelt

Die letzte Spielminute dauert eine Ewigkeit. 50 Sekunden vor Schluss – Bonn liegt zwei Punkte vorne – möchte ein Oldenburger zum Helden werden und vergibt einen Wurf von der Drei-Punkte-Linie. Auszeit, Freiwürfe hier, Freiwürfe dort. Zwölf Sekunden vor Schluss liegt Bonn noch einen Punkt in Führung.

„Deswegen ist Basketball die tollste Sportart“, sagt Patrick. Er steht in Reihe 12 der Oldenburger Arena. Er schwitzt und bangt. „Du kannst zwei Minuten vor Schluss mit 20 Punkten zurückliegen und am Ende trotzdem noch verlieren“, sagt Patrick.

Verlieren? Vier Sekunden vor Schluss liegt Oldenburg dann einen Punkt vor Bonn, 71 : 70. Was sind schon vier Sekunden? Ein gezielter Wurf und …

Seit drei Wochen ist Basketball die angesagteste Sportart in Oldenburg. Vor drei Wochen gewannen die örtlichen Baskets ihre ersten Play-Off-Spiele. Und drei Wochen ist es her, da verpassten die Fußballer des VfB Oldenburg den Aufstieg in die Regionalliga. Die Oldenburger Basketballer hingegen stehen im Finale um die Meisterschaft gegen die Telekom Baskets Bonn. Die Dramatik ist überwältigend: Von den vier bisherigen Finalspielen gewann jedes Team zwei, heute muss die Entscheidung fallen.

„Noch vor kurzem hat sich hier niemand für Basketball interessiert“, sagt Patrick. Das klingt wie eine Beschwerde. Während der langen Hauptrunde seien eigentlich nur die Spitzenspiele ausverkauft gewesen. Und nun das. In der Arena seien ganz andere Leute als zuvor, viele echte Fans haben draußen bleiben müssen.

7.000 Menschen strömten am frühen Abend vor der Arena zusammen. Das Publikum ähnelt dem einer großen Fernsehshow, Familien statt Ultras. Fast alle tragen gelbe T-Shirts, die wurden ein paar Tage zuvor vom Sponsoren verschenkt. In den Geschäften nahe der Arena schmücken Baskets-Leibchen die Schaufensterpuppen, nur der Naturkostladen ignoriert den Sport.

3.000 Menschen passen in die Arena, der größere Teil der Anwesenden drängt langsam in die Mehrzweckhalle nebenan, zum Public Viewing. Zwischen den Eingängen wird noch um Eintrittskarten gefeilscht. Doch die meisten wollen ihre gar nicht verkaufen. „Wollte nur mal wissen, was mein Ticket wert ist“, frotzelt einer. 150 Euro hatte ihm eine Dame geboten, bei Ebay verlangte jemand 290 Euro.

Neulinge statten sich im Foyer noch mit Schals aus. Der Play-Off-Schal zu zehn Euro? Oder der VIP-Schal zu zwölf? Der sei fluschiger, sagt die Verkäuferin.

Zu dramatischen Klängen ziehen die Spieler in die Halle ein, dazu ein paar Hupfdohlen und Werbebotschaften, Lichteffekte und ein übersteuerter Ansager. Alles beseelt von dem Wunsch, es den Großen auf der anderen Seite des Atlantiks nachzutun. Wie die Stimmung ist, lässt sich ob des ohrenbetäubenden Humba-Humba-Tätäräs kaum sagen. Dann die schief gesungene Nationalhymne. Eine Integrationsmaßnahme? Sechs der 23 beteiligten Spieler kommen aus Deutschland, zehn aus den USA.

Eine Reihe vor Patrick stehen fünf Herren in Hemd und schwarzen Hosen. Die haben sich doch früher nie für Basketball interessiert, sagt er. Nein, sein erstes Spiel sei das nicht, sagt einer der Herren. Die Karten haben sie von ihrem Arbeitgeber bekommen, der EWE. Natürlich würde Oldenburg gewinnen. Und dass das Rathaus keinen Meisterbalkon habe sei kein Problem? Das solle in diesem Jahr so sein, sagt er, das Wolfsburger Rathaus habe ja auch keinen.

Oldenburg und Bonn treffen sich auf Augenhöhe. Atomgelb tritt gegen Magenta an, Energie- gegen Telekommunikationsriese. Baskets heißen beide, beide Städtenamen sind kaum elegant zu krakeelen. Und die Maskottchen vergleichbar blöde: ein debiler Bär auf der einen Seite, ein hyperaktiver Adler auf der anderen. Auch während des Spiels sind die Teams immer etwa gleichauf. Im dritten Viertel kann Bonn mal 11 Punkte Vorsprung herausspielen, den holen die Oldenburger fünf Minuten vor Schluss wieder auf. 62 Punkte hat jedes Team zu diesem Zeitpunkt gesammelt. Die Halle bebt. Am Ende geht es doch ganz schnell. Vier Sekunden vor Schluss verdribbelt ein Bonner den Ball, Oldenburg gewinnt.

Konfetti, Queen, Deutschrock, Freudentaumel. Der Autokorso um den zentralen Kreisverkehr fällt letztlich etwas spärlich aus, die meisten waren mit dem Fahrrad gekommen. JAN KÜHNEMUND