Terrorismus und Piraterie

NEUER SINNHORIZONT Im Paul-Löbe-Haus hat die Ausstellung „Bundeswehr im Einsatz“ eröffnet

Am Eingang halten zwei lebensgroße Soldatenpuppen Wacht. Die eine im grünen Drillich, die andere in militärischer Camouflage, behängt mit vielerlei Taschen. Letztere ist ein Soldat der Isaf, der Afghanistantruppe. Waffen sind bei den beiden Wächtern nicht zu sehen; das gehört sich auch nicht, denn wir sind Besucher im Foyer des Paul-Löbe-Hauses, wo die Abgeordneten des deutschen Bundestages ihre Büros haben.

Zum 15. Jahrestag ihrer ersten Auslandseinsätze und deren Legitimation durch das Bundesverfassungsgericht hat die Bundeswehr zu einer Ausstellung „Bundeswehr im Einsatz“ eingeladen. Wir sehen schmucke, ellipsenförmig gestaltete Stelen, die die abgeschlossenen wie die laufenden internationalen Einsätze der Bundeswehr fotografisch dokumentieren und zudem eine kurze Geschichte der Bundeswehr seit den 50er-Jahren bieten.

Im Gegensatz zum Katalog, der wenigstens auf einige der scharfen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in der alten Bundesrepublik um Wiederbewaffnung, allgemeine Wehrpflicht und das Notstandsrecht verweist, ist in der Ausstellung selbst hiervon so gut wie nichts zu sehen. Die Auslandseinsätze selbst werden als alternativlos und in der Bundesrepublik als völlig unumstritten dargestellt.

Die ideologische Botschaft ist klar: Im Innern ist die Bundeswehr ein fester Bestandteil der Gesellschaft und ihrer demokratischen Kultur. Sie steht zudem unter strikter Kontrolle des Parlaments, jeder militärische Einsatz muss durch den Bundestag bewilligt werden. Außenpolitisch fungiert sie als Instrument der internationalen Friedenssicherung. Wo immer sie eingesetzt wird, dient sie der Sicherheit auch der deutschen Bürger und Bürgerinnen.

Auch von dem gegenwärtig umfangreichsten und gleichzeitig gefahrvollsten Einsatz, dem in Afghanistan, wird ein ausgesprochen geschöntes Bild gezeigt. Wir werden breit über die Aufbauleistungen der deutschen Soldaten im Norden des Landes im Rahmen der Isaf informiert, nicht aber über die reale militärische Lage, die auch im Norden zunehmend durch offene militärische Konfrontation mit den Taliban und den Verlust der militärischen Kontrolle über die Territorien gekennzeichnet ist.

Generell ist festzuhalten, dass die Ausstellung keinen Versuch unternimmt, die politischen und ökonomischen Faktoren darzustellen, die zu Bürgerkriegen, zum Staatszerfall und zu riesigen Fluchtbewegungen in der Dritten Welt führen. Trotz vielfacher Betonung der friedlichen, konstruktiven Aufgaben des Militärs ist der hier sichtbare Sicherheitsbegriff militärisch determiniert.

Die Ausstellung ist ein Produkt des Militärgeschichtlichen Forschungsamts der Bundeswehr, das sich in der Zeit vor 1989 beträchtliche Verdienste um die Aufklärung der deutschen Wehrmachtsverbrechen im Zweiten Weltkrieg erworben hat. Das Forschungsamt sieht Ausstellungen wie die jetzige im Dienst der historischen Bildung der Soldaten. Doch eher sollte man von Ideologieproduktion sprechen, mit der gegen die „Sinnkrise“ angekämpft wird, mit der die Bundeswehrführung konfrontiert ist, seit ihr der Feind im Osten abhandengekommen ist. Gegen die neuen Feinde, den internationalen Terrorismus, die „failed states“, die organisierte Kriminalität und jetzt auch die Piraterie gilt es weltweit anzutreten. Das ist der neue Sinnhorizont, wie auch die Ansprache von Verteidigungsminister Jung zeigte.

Die freilich blieb nicht unkommentiert. Von den oberen Rängen des Lichthofs rieselten Flugblätter und kleine rosa Pantoffeln auf die versammelten Militärs und Zivilisten herab. Sprechchöre waren zu hören: „Bundeswehr raus aus Afghanistan!“ Wie zu erwarten, ließ sich der Bundesverteidigungsminister in seinem Redefluss dadurch nicht irritieren, und bald zog wieder Ruhe ein. CHRISTIAN SEMLER

■ Bis 24. 7., Paul-Löbe-Haus, Berlin