Generation Verwöhnungsgruppe

KUNST Enthusiastisch will die Ausstellung im Wolfsburger Kunstmuseum sein. Sie wirkt aber viel zu glatt

Wenig ist zu sehen von künstlerischem Aufbegehren und dem Ringen um neue Wege

„Jung“ und „Kunst“ – diese Kombination wäre noch vor wenigen Jahrzehnten der Garant gewesen für subversive visuelle Ereignisse. Das Kunstmuseum Wolfsburg widmet derzeit sieben jungen Künstler, Jahrgang 1962 bis 1976, seine (ja nicht unbedeutende) institutionelle Ausstellung. Nach dem repräsentativen Überblick „Made in Germany“ im Jahr 2007 in Hannover, der rund 50 in Deutschland arbeitende junge Künstler vorstellte, folgt hier nun eine konzentrierte internationale Auswahl.

Der erste Begriff im Titel, die „Leichtigkeit“, bedarf der Erklärung. Während Enthusiasmus als Triebkraft kreativen Tuns unmittelbar einleuchtet, muss jene ihre Rückversicherung in der Kunsttheorie der Renaissance suchen. Ein souveräner, flüssiger Stil sowie schöpferische Spontanität in Konzeption und Ausführung sollen ein Kunstwerk so erscheinen lassen, als sei es ohne Anstrengung zu bewältigen gewesen. Was also haben die jungen Künstler nun mit lockerer Hand in Wolfsburg zusammengestellt? Etwas zwanghaft scheint Friederike Feldmann aus Berlin zu arbeiten. Sie füllt ihre Wolfsburger Koje unter anderem mit einem großen Wandbild in Action Painting-Manier. Es ist aber nicht als spontane, vitale Geste entstanden, sondern als Umkehrung des Prozesses. Viele kleinste weiße Pinselstriche schichten sich auf die vollflächig schwarze Grundierung, das Motiv bleibt als Leerfläche zurück. Der zweite Vertreter der Malerei, Marcel von Eeden aus Berlin, belegt seinen Raum mit Wandbildern nach Franz Kline. Bildzitate der Malereigeschichte werden eingeflochten und die große Frage angebracht: Wird die Moderne Kunst „gemanagt“?

Einem glaubwürdigeren persönlichen Zweifel folgt Tatiana Trouvé aus Paris. Seit Jahren erstellt sie für ihr „Büro für implizite Aktivitäten“ rätselhafte Architekturmodelle und Innenraumzeichnungen, die sich auf die Formenwelt der heroischen Moderne beziehen. Diese werden aber durch störend aus der Perspektive fallende Versatzstücke oder einen prosaischen Kabelbrand an der Wandsteckdose in ihrer Perfektion entlarvt.

So leichtfüßig ironisch Trouvé in ihren Arbeiten daherkommt, so bleiern die weitere Berlinerin Sabine Hornig mit ihrer Installation „Schule“. Akribische Modellverkleinerungen eines Windfangs aus Aluprofilen und des auskragenden Vordachs einer Ostberliner Serienschule werden in Beziehung gestellt, der Windfang erscheint noch mal, nun begehbar und verfremdet in eine Waldkulisse gesetzt. Das mochte schon vor zwei Jahren in Hannover nicht so recht überzeugen, warum also hier eine Neuauflage? Technikgestützte Kunstformen vertreten der Ire Duncan Campbell und Julian Rosenfeldt aus Berlin. Campbell knüpft an das absurde Theater Samuel Becketts an und liefert ein „Kopfkino“, indem er Lichterscheinungen und Tonfetzen vom Betrachter zu einer ihm schlüssigen Geschichte kombinieren lässt. Rosenfeldt folgt in Parallelprojektionen seinen Protagonisten durch moderne Architekturräume, die mitunter beängstigender Natur sind. Der jüngste Teilnehmer, Sascha Weidner, auch aus Berlin, kann auf eine solide Ausbildung in Fotografie, Film und Kommunikationsdesign an der Braunschweiger Kunsthochschule zurückgreifen. Erste Ergebnisse eines Studienaufenthaltes in Palermo werden als fotografische Erzählung montiert. Der vorgebliche Zufall seiner Fotos ist aber (noch) weit entfernt von der lakonischen Alltäglichkeit, beispielsweise eines Altmeisters wie William Eggleston, das Diasec-Verfahren der Präsentation gibt ihr zudem einen unangenehm gewerblichen Touch.

Insgesamt zeugt die Schau wenig von künstlerischem Aufbegehren und dem Ringen um neue Wege. Rezeptionsfreundlich, viel zu glatt und routiniert erscheinen die meisten Arbeiten.

Ist, gepampert durch allerlei Stipendien, Residencies und Gastprofessuren, der Weg eines jungen Künstlers nur mehr ein leichtes Einrichten in wechselnden „Verwöhnungsgruppen“ Sloterdijkscher Definition? Dieser sieht allerdings das letzte Privileg ja gerade darin, sich anstrengen zu dürfen. Einen leisen Zweifel beschlich dann wohl auch den Direktor des Wolfsburger Museums, Marcus Brüderlin, als er im Künstlergespräch die Vermutung äußerte, dass es heute, anders als zu Zeiten ideologischer Grabenkämpfe der Moderne, in der Kunst wohl um nicht mehr viel ginge. BETTINA BROSOWSKY

Kunstmuseum Wolfsburg, bis 25. 10.