Ganz entspannt in der weltumspannenden Multikultur

NATIVE ART Das Künstlerpaar namens Pirate Family erzählt von Voodoobräuchen und der besten Zeit des Rock ’n’ Roll

Auf dem kleinen Totenkopf prangt das Wort „Zombie“. Auf der Stirn seines Nachbarskulls steht „Ghost“, darunter weht müde ein Fähnchen mit der Aufschrift „Voodoo“, ein anderer Totenkopf steht für den „Spirit“. Die schwarze, gesichtslose Frauenfigur, durch deren ausgebreitete Wollfädenhaare sich gerade eine Schlange anschleicht, trägt dazu noch brennende Kerzen in den Händen: Klare Sache, wir sind in Haiti. Oder waren es zumindest mal.

Marjorie Généus, die Malerin des trotz aller ernsten Spiritualität hochgradig komischen und rührend kindlichen Bildes, stammt von dem kleinen, bemerkenswerten Inselstaat, dessen Religion seit Jahrzehnten genüsslich für westliche Unterhaltungszwecke ausgenutzt wurde. Aus der politisch unsicheren Heimat musste sie flüchten, seit einigen Jahren lebt sie nun mit Mann und Kindern im französischen Loiretal.

Ihre Inselvergangenheit, den malenden Opa, die Farben, die Voodoorituale und -bilder hat sie aber nie vergessen. Und so wirken ihre starkfarbigen, der haitianischen und afrikanischen native art verpflichteten Acryl-Bilder, auf denen hellblau gekleidete Frauen auf einer blauen Bank sitzen und sich schelmisch von ihrem Bewunderer wegdrehen, um an einer blauen Blume zu schnuppern, die aussieht wie ein psychedelischer Staubwedel, wie eine sehnsüchtige und humorvolle Reminiszenz an die verlassene Heimat.

Der „Marquis der la Nut de Coco“, der Markgraf der Kokosnuss, stammt dagegen aus dem näher gelegenen und weit weniger kultaffinen Frankreich, hat lange in Berlin gelebt, mit Françoise Cactus die „Lolitas“ gegründet, sich als Rock-’n’-Roll-Gitarrist und Plattencovermaler über New Orleans und Memphis nach Guadeloupe durchgeschlagen, wo er Marjorie kennenlernte, mit ihr und zwei Kindern in Tours eine kleine Künstlersippe aufgezogen, in der gemalt, musiziert und gefeiert werden darf: Als „Pirate Family“ stellen Coco und Marjorie bunte, von der Sonne und den wirren Voodoobräuchen einerseits und der besten Zeit des Rock ’n’ Roll andererseits erzählende Kunst aus.

Cocos Bilder sind Porträts und Musikszenen, eine „real cool cat“ aalt sich miauend vor einem Plattenspieler, auf der sich garantiert eine original Little-Richard-7“ dreht, und immer wieder tauchen Cocos Lieblingsmotive, die Piraten, auf. Dass ihr älterer Sohn als „Black Mozart“ bei dem täglich stattfindenden „Creole Country Jam“ auch noch die Geige spielen darf, während das jüngere Piratenkind schüchtern die Rassel schüttelt, ist das Sahnehäubchen auf dem Cajunkuchen.

So viel amüsant-unkomplizierte und entspannt-weltumspannende Multikultur war an der Ecke lang nicht mehr.

JENNI ZYLKA

■ Flying Sauvage, Reichenberger Ecke Mariannenstr., Di.–So., 14–20 Uhr, Creole Country Jam tägl. 18 Uhr, Finissage: 12. 7., 12 Uhr