AUSGEHEN UND RUMSTEHEN VON JENNI ZYLKA
: Ich will nur nicht auf deinem Sack sitzen

Man hat’s nicht leicht mit der Fashion Crowd. Fettnäpfchen lauern auf der Modewoche überall, Männershorts auch

Diese Fashion Crowd! Macht einen ganz kirre. Am Donnerstag ergattere ich ein „Standing“ bei der Strenesse Blue Show. Später darf ich, eingerahmt von französischen Elfen mit blumengemusterten Pumphosen und ein paar ernsten, sich an den Händchen haltenden Bodybuildern, dann doch sitzen.

Vorn staksen todschicke sanftblaue Minilederkleider vorbei, glänzende und matte Geschenkbandstreifen wickeln sich elegant um Modelkörper, außerdem gibt es Sommeranzüge mit Shorts, die hervorragend aussehen, als würde Betty Grable sie bei einem Geschäftstermin mit der 20th Century Fox tragen. Obwohl Shorts auf meiner persönlichen Schlimm-Liste direkt nach den Haremshosen kommen. Haremshosen! Da kann man sich ja gleich die Wimpern blond färben! Oder sich den Bauch ausstopfen! Am nächsten Tag zeigt Kilian Kerner die Haremshose für den Mann, die konsequenterweise eigentlich „Eunuchenhose“ heißen müsste.

Aber apropos: Selten dämlich rutscht mir an den jungen Modefreak nebenan gerichtet „Ist das dein Sack?“ heraus, weil vor Beginn der Show ein grüner Jutebeutel auf meinem Stuhl liegt, und als ob die Autoren vom „Eis am Stiel I-IV“ es mir live einchanneln, schiebe ich auch noch „Ich will nur nicht auf deinem Sack sitzen“ hinterher. Und da ich anscheinend tatsächlich als Letzte in diesem Saal voller Denker und Dichter begriffen habe, dass auf jedem Stuhl solch ein Sack lag, weil es sich nämlich um die Kilian Kerner-Goodybag handelt, schäme ich mich die ganze halbgare Show über und kann mich über den Anblick der auf der einen Seite runtergekämmten, auf der anderen Seite hochgesteckten Storchmodels sowie Männern in weiten Silbershorts gar nicht angemessen begackeiern.

Aber jetzt bin ich erst mal fertig mit der Modewelt und gehe am Samstagabend brav zu einem Essen mit zehn jeanstragenden Mounties (wie ein Bekannter KanadierInnen liebevoll nennt), an denen aber auch einige Tätowiernadeln Freude hatten: Bei der einen recken sich mit langen, grauen Fingernägeln behaftete Monstergriffel unheilvoll aus dem Rückenausschnitt ihres Kleides, die andere hat scheinbar eine ganze Vogelhochzeit auf der Brust, und jedes Mal, wenn ich die Flügelchen aus ihrem Hemdkragen ragen sehe, summe ich leise „Der Auerhahn, der Auerhahn, das war der würdige Herr Kaplan“. Nach hunderten von Gängen rollen wir ins „Monarch“ und tanzen. Als ein Wicht mit Brille versucht, sich an mich ranzutanzen, hüpfe ich mit einer Kinskischraube hinter meine schwule kanadische Begleitung und lasse ihn mit dem Jungspunt flirten. Ich verlasse diesen Zenit der Action, als es draußen hell wird und ich zu Hause das Licht auslassen kann, denn seit sich irgendwelche Nachbarn die gleiche Junggesellenbuden-Lichtschalter-Fernbedienung wie wir gekauft haben, muss ich es den Poltergeistern überlassen, nach Lust und Laune die Deckenlampe und die Lichtorgel an- und auszuschalten und meinen Tagesrhythmus damit aufs Irritierendste zu stören. Wenn sie demnächst auch noch den CD-Spieler bedienen, gehe ich aber mal rüber und kläre die Sache mit Fäusten.