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Der bezaubernd spielerische Feminismus der Maria Lassnig

Feministische Aneignungsgesten spielen in den Filmen eine wichtige Rolle, darauf reduzieren lässt sich keiner

Gott spricht zu Adam: „Du bist meine Schöpfung.“ Adam aber ist ausgesprochen unzufrieden, er wäre, sagt er, gern schwarz, außerdem fragt er frech Gott, warum der eigentlich keine Frau sei. Auch sonst passt ihm die Darstellung des Herrn keineswegs: „Du siehst aus wie ein Hippie.“ Der Schauplatz des Dialogs: Michelangelos berühmte „Erschaffung Adams“ aus dem Deckengemälde der Sixtinischen Kapelle. In Bewegung gesetzt und in Zeichentrick überführt hat das Werk völlig respektlos die österreichische Künstlerin Maria Lassnig in ihrem Film „Art Education“ (1976). Es ist nicht die einzige Frechheit, die sie sich kanonisierter Männerkunst gegenüber erlaubt. Die Mona Lisa zeigt sie mit Zahnbürste in der Hand und in Vermeers „Allegorie der Malerei“ legt sie dem Modell nicht nur Widerworte in den Mund, sondern lässt Mann und Frau auch den Rollenwechsel vollziehen: Das Modell malt den Maler, der nackt posiert mit dickem Bauch und winzigem Schwanz.

Eine ganz ähnliche Szene findet sich in Maria Lassnigs hinreißendstem Film „Kantate“ (1992, mit Hubert Sielecki). Darin singt sie, teils wild kostümiert, ihre Autobiografie als Collage aus Bluebox-Realfilm und Animation zu Bänkelmusik. In einer Zeichentrickepisode, in der Lassnig von ihrer Ausbildung an der Kunstakademie erzählt, kommt es zu einem kleinen Kampf zwischen Mann und Frau an der Staffelei. Dass sie es, wie sie im Kommentar dazu singt, besser konnte als mancher Mann, wird heute keiner bezweifeln. Zum 90. Geburtstag, der in diesem Jahr ansteht, hat sie das Wiener Museum für Moderne Kunst mit einer großen Retrospektive geehrt, und in dieser Edition des immer interessanten Labels „Index“ sind nun auch Lassnigs Filme erstmals auf DVD greifbar.

Sie gelten eher als Nebenaspekt ihres Werks. Aber wer die neun Filme gesehen und ihren Witz, ihren Einfallsreichtum, ihre Schärfe bewundern gelernt hat, wird an der herausragenden Stellung Lassnigs auch im Spannungsfeld zwischen (Experimental-)Film und Kunst keinesfalls zweifeln. Feministische Aneignungsgesten spielen in vielen der Filme eine wichtige Rolle, darauf reduzieren aber lässt sich kein einziger. Auch nicht „Baroque Statues“, der zwischen 1970 und 1974 entstand und mit Nahaufnahmen barocker Statuen beginnt: Lassnig filmt Füße, Gewänder und Hände, aber auch entrückte Gesichter, lässt die Bilder dann aber hinübergleiten in Aufnahmen einer realen Person. Auf einer Wiese tanzt eine Frau. Zunächst imitiert sie die Statuen-Posen, befreit sich dann zu ganz eigener Bewegung. Aber auch bei der Verlebendigung belässt Lassnig es nicht; vielmehr kommt es zu einer rauschhaften Verselbstständigung des Tanzes, aber auch des Mediums Film in Überblendungen, Stillstellungen, dem Einsatz grafischer Filter. Was statisch beginnt, wird so zuletzt Farbe, Bewegung und Schnitt fast in Reinform.

Es geht Lassnig sehr buchstäblich um Bilder vor allem des weiblichen Körpers. Der wird in den Filmen verformt und auch deformiert, aber die Deformationen kennen sehr unterschiedliche Konnotationen und Tonlagen. Im Realfilm „Iris“ (1971) platziert Lassnig nackte weibliche Körper in einem verzerrenden, zerstückelnden, aber auch aufregende neue Formen produzierenden Spiegelkabinett der Blicke. In „Shapes“ (1972), auch in „Couples“ (1972) gibt es, surreal meist, möglicherweise Sex – andererseits aber sieht man immer wieder auch kopflose, fast amorphe, wie von Kindern gezeichnete, eindeutige, vieldeutige, merkwürdige und saukomische Männer- und Frauenkörper, die nicht recht wissen, was sie da, und wenn ja, wie sie es unter Maria Lassnigs Händen miteinander treiben. Das Großartige und ziemlich Einzigartige an Lassnigs entschiedenem Feminismus ist, wie er gerade aus dem entschiedenen Sinn fürs Spielerische und Absurde seine durchaus bezaubernde Überzeugungskraft gewinnt. EKKEHARD KNÖRER

■ Die DVD ist regionalcodefrei und kann für 28,80 Euro bei www.index-dvd.at bestellt werden