Wer in Italien stillbleibt, kriegt kein Geld

Die Pressekonferenz am 30. Juli sprengen, auf der das Programm der Filmbiennale von Venedig vorgestellt wird? Oder gleich das Festival selbst zum Ziel militanten Protests machen? Italiens Drehbuchautoren, Regisseure, Schauspieler, Opernsänger diskutieren, wie sie der Regierung die Stirn bieten sollen.

„Wie kann man noch ein Filmfestival durchführen, wenn die dabei sind, den Film umzubringen?“, fragt zum Beispiel der Schauspieler Cesare Bocci. Am Donnerstag stand im Parlament die Schlussabstimmung über das „Anti-Krisen-Dekret“ der Regierung Berlusconi an. Welche Wirkungen auf die Wirtschaftskrise das insgesamt recht bescheiden ausgelegte Dekret hat, lässt sich nicht absehen; sicher ist dagegen heute schon, dass es einen Sektor in eine tiefe Krise stürzen wird: „lo spettacolo“, sprich Theater, Oper, Film, Ballett und Symphonieorchester.

Ihnen nämlich sollen die staatlichen Subventionen drastisch zusammengestrichen werden, um anderwärts den Aufschwung zu finanzieren. 560 Millionen Euro sollten, nach den Ansätzen der Anfang 2008 gestürzten Mitte-links-Regierung Romano Prodis, im Jahr 2009 in den „Fondo Unico dello Spettacolo“, in den Subventionsfonds für Bühne und Film, fließen. Doch die Regierung Berlusconi streicht die Mittel jetzt auf 380 Millionen Euro fürs laufende Jahr zusammen, der Sparkurs soll beibehalten werden. Noch am 7. Mai hatte Kulturminister Sandro Bondi, im Beisein des Staatspräsidenten Giorgio Napolitano, versprochen, die Streichpläne würden revidiert. Einen guten Rat für die Kulturschaffenden hatte damals auch Salvatore Nastasi, Kabinettschef des Ministers: „Je weniger Krach ihr macht, desto mehr Geld kriegt ihr. Je mehr Krach ihr schlagt, desto weniger Geld gibt es.“

Am Ende wurden die Streichvorhaben nicht um einen einzigen Cent revidiert – und jetzt machen die Menschen des „Spettacolo“ Krach. Am Montag zogen etwa 1.000 Regisseure, Schauspieler, Musiker, Tänzer vors Parlament in Rom. Carlo Lizzani, Nanni Moretti, Ettore Scola fanden sich in der Menge, neben ihnen das „Fußvolk“ – unbekannte Schauspieler oder Bühnenbildner, die sich heute schon mit Hungerlöhnen durchschlagen müssen. Den Protest hatte die Drehbuchautoren-Vereinigung „100 Autori“ organisiert.

Der Boykottvorschlag für Venedig ist umstritten; der Schauspieler Luca Zingaretti sagt, das habe schon 1968 nichts gebracht. „Venedig gehört doch uns und nicht der Gegenseite.“ Stefano Rulli, Präsident der „100 Autori“, hält von dem Vergleich mit 68 nichts: „Damals ging der Protest gegen das Festival selbst. Wir dagegen werden auf dem Festival protestieren – gegen eine Regierung, die der Kultur die Luft abschnürt.“ MICHAEL BRAUN