Marie Antoinette ohne Controlling

Vor zwei Jahren startete Hans-Joachim Frey nach eigenem Bekunden den Versuch, als Generalintendant von Bremen aus das Stadttheaterwesen umzukrempeln. Nun endet dies Vorhaben mit der vorzeitigen Auflösung des Vertrags mit dem 44-Jährigen.

Frey verkleinerte die Ensembles und setzte auf Gäste und eingekaufte Prominenz. Daneben forcierte er die Abkehr vom traditionellen Repertoiretheater, indem er nur wenige Stücke gleichzeitig en bloc spielen ließ, führte thematische „Länderschwerpunkte“ sowie eine Art Volontariat für Sänger ein, das umstrittene wie kostengünstige „Opernstudio“. Freys Credo: Wenn das öffentliche Theater überleben will, muss es sowohl wirtschaftlich sein als auch die Kooperation mit der Wirtschaft suchen. Es gelang manch beachtliche Uraufführung, wie die Opernfassung des Fatih-Akin-Films „Gegen die Wand“.

Nun stolperte Frey über „Marie Antoinette“, das Musical über die verschwendungssüchtige französische Königin, die später enthauptet wurde. Frey stellte der Stadt mit der zusätzlich zum Normalbetrieb laufenden Produktion satte Gewinne in Aussicht, landete jedoch bei einem Minus von 2,5 Millionen Euro. Das aktuelle Liquiditätsproblem des Hauses summiert sich damit auf fast 4 Millionen Euro.

So schwer wie die Belastung des Theaterhaushalts wiegt der Umstand, dass Frey diese Zahlen nur sehr zögerlich bekannt gab. Selbst nach einer Rüge durch den Theateraufsichtsrat räumte er die ständig wachsenden Defizite nur unvollständig ein, sodass das Kulturressort schließlich ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen mit der Analyse u. a. der Musicalfinanzen beauftragte.

Das Urteil der Wirtschaftsprüfer, für „Marie Antoinette“ habe es weder eine ordentliches Controlling noch eine Risikomanagement und schon gar keine „geordnete Geschäftsführung“ gegeben, steht in krassem Widerspruch zu Freys Image als versiertem Kulturmanager. Der Pastorensohn, der einst selbst Opernsänger werden wollte, versteht sich wie kaum ein anderer der deutschen Intendanten als Vermittler zwischen Kultur und Ökonomie. Zu diesem Zweck gründete er unter anderem das in Dresden ansässige „Forum Tiberius“, das nichts weniger als einen „Weltkulturgipfel“ plant.

Auch im hanseatisch-soliden Bremen versuchte Frey, „gesellschaftlichen Glanz“ ans Theater zu binden – doch die Einführung eines Opernballs scheiterte. Nun wurde er angeblich von dem russischen Präsidenten Putin beauftragt, in Petersburg ein ähnliches Ereignis zu kreieren.

HENNING BLEYL