Weiße Leere propagieren

FASHION Das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel in Hamburg präsentierte grüne Mode

VON JOHANN TISCHEWSKI

Green Fashion ist en vogue. Und damit sind keine Birkenstock-Sandalen oder Wollpullover gemeint. Schließlich hat die Weltverbesserer nichts mehr Anhänger gekostet als ihr schlechtes Aussehen. Das zumindest glauben die Macher des Internationalen Sommerfestivals in Hamburg und präsentieren mit „Attitude“ einen Fashionevent für sozial und ökologisch nachhaltig produzierte – aber modisch visierte – Kleidung.

Basslastige Musik erfüllt die alte Kampnagel-Fabrikhalle K1, hell erleuchtet zieht sich der Laufsteg in die überfüllten Zuschauerreihen. Doch statt Models stürmt zunächst eine Reihe Tänzer auf den Catwalk. Schwarze Masken verhüllen ihre Gesichter, weiße Schutzanzüge ihre Körper. Inbrünstig strecken sie dem Publikum Schilder und Banner entgegen, die jedoch nur weiße Leere propagieren. Jegliche Aufschriften fehlen. „Mode ist leider allzu oft Ausdruck ohne Inhalt“, sagt Jochen Roller, künstlerischer Leiter des Events. Um der Show dennoch einen inhaltlichen Rahmen zu verleihen, habe man sie mit einer Tanzperformance kombiniert.

Die Tänzer sind noch nicht vom Laufsteg verschwunden, da betreten die ersten Models die Bühne. In bunter Bademode schreiten sie einher. Die Shorts und Bikinis, die sie tragen, sind fast ausschließlich aus recycelten PET-Flaschen hergestellt. Insgesamt zwölf Labels stellen im Laufe des Abends ihre sozial und ökologisch verträglich hergestellten Kollektionen vor. Die Palette reicht von lässiger Casual Wear über coole Businessdresses bis zu gehobener Abendgarderobe. Doch keinem der Exponate sieht man an, dass es sich dabei um nachhaltig produzierte Mode handelt.

Ökomode galt lange als uncool. Verbannt in Dritte-Welt-Läden war sie oft mehr öko als Mode, darüber hinaus teuer. Genau damit wollen die Modemacher jetzt brechen: Vor allem stylish und bezahlbar soll die neue Ökomode sein.

Auch Grün ist nur Image

American Apparel hat es vorgemacht: Mit seinen schlichten Schnitten und erschwinglichen Preisen hat das Label längst die junge Großstadtboheme rund um den Globus erobert. Die Tatsache, dass die Kleidungsstücke alle unter sozialverträglichen Standards in den USA und ausschließlich aus Ökowolle produziert sind, trägt nur zweitrangig zum Erfolg des Labels bei. Ausschlaggebender ist wohl eher die zeitgemäße Modeline kombiniert mit einem innovativen Werbekonzept.

Zwischen zwei Kollektionen schlurfen wieder die Tänzer über den Laufsteg und werfen sich plötzlich in Pose. Ihre Gesichter verstecken sie dabei jedoch hinter grünen Zweigen. Die Message ist klar: Auch Grün ist nur Image. „Letztendlich kaufen sich viele mit diesen nachhaltigen Produkten einfach ein gutes Gewissen ein, um sich dann dahinter zu verstecken“, kommentiert Jochen Roller.

Das Konzept des Abends überzeugt. Die Verschmelzung von Tanzperformance und Catwalk kommt frisch und belebend daher. Roller fügt seine Tänzer artgerecht, aber dennoch subversiv in den Akt des Modepräsentierens ein. Er lässt sie zwischen den Models agieren, ohne dabei jedoch die dargebotene Mode zu erdrücken. Bisweilen etwas plakativ, aber nie dumm parodieren sie die Posen der Konsum- und Modewelt. Konsumempfehlung und Konsumkritik gehen bei „Attitude“ eine paradoxe, aber durchaus fruchtbare Verbindung ein.

Doch modisch bleibt die Fashionshow eher mittelmäßig. Zwar sind die präsentierten Kollektionen durchaus tragbar, aber das Potenzial, Trends zu setzen oder gar Normen zu sprengen, haben sie nicht. Es scheint viel eher so, als seien die Exponate möglichst stilvoll entworfen, um sie bloß nicht als Ökomode zu entlarven.

Nachhaltiges Konsumieren

Aber das ist nebensächlich. Wichtiger ist, dass den Labels ein Forum geboten und nachhaltiges Konsumieren thematisiert wird. Denn das Geschäft mit der Nachhaltigkeit boomt: nachhaltige erzeugte Lebensmittel, nachhaltiges Bauen, nachhaltiges Reisen und jetzt nachhaltige Mode. Doch der Boom birgt die Gefahr, dass die Konsumenten den Beitrag, den sie mit ihren gepflegten Konsumgewohnheiten wirklich leisten, überschätzen. Die Ökobilanz eines kritisch konsumierenden Europäers ist meist um ein Vielfaches negativer als die eines durchschnittlichen Afrikaners. Festivalleiter Matthias von Hartz kennt diesen Einwand und wiegelt ab: „Nachhaltig produzierte Mode ist eben nur eine der möglichen Antworten auf die Frage, wie wir mit unserem Überkonsum umgehen.“

Eine andere Antwort liefert Martin Kaltwasser. Mit einem Bier in der Hand lehnt er an seiner Werkbank am anderen Ende des Festivalgeländes. Auf der Rückseite seines Blaumanns prangt die Inschrift „Kill your car before it kills you“. Neben ihm liegt ein in seine Einzelteile zerlegter Kleinwagen und ein Schweißgerät. In den nächsten Tagen wird er zusammen mit Studenten der Hamburger Hochschule für bildende Künste (HFBK) die Teile zu einem neuen Gebilde heranwachsen lassen. Kaltwasser stellt aus alten Autos Fahrräder her. „Man muss nicht immer shoppen gehen, um nachhaltig zu konsumieren“, sagt er verschmitzt.