Er will es machen

UNSELD Mit Covern von Neo Rauch macht Joachim Unselds Frankfurter Verlagsanstalt derzeit von sich reden. Der Verleger selbst ist neuer Chef des Frankfurter Literaturhauses

Immer wieder mal was Neues bei Suhrkamp, dieses Mal ein Wunder: ein Umzug ohne Umzugsbeschluss

VON CHRISTOPH SCHRÖDER

In diesen Tagen lag sie wieder im Briefkasten, die Einladung zur Buchmessenparty der Frankfurter Verlagsanstalt. Allen Unkenrufen zum Trotz, dass auch FVA-Macher Joachim Unseld, wie nicht wenige andere, ihr Messefest in diesem Jahr würde ausfallen lassen. Das wäre im Grunde auch undenkbar gewesen, was hätte man sonst mit dem späten Donnerstagabend anfangen sollen? „Zur Not“, so sagt ein Kollege am Telefon, „hätten wir uns einfach mit einem Sixpack bei Unseld in den Garten gesetzt.“

Nicht nötig. The show must go on. Dafür liebt der Gastgeber selbst die Aufmerksamkeit, die er bekommt, viel zu sehr. Und davon bekommt er permanent eine ganze Menge, nicht nur kraft seiner Geburt und seines Schicksals als verstoßener Thronerbe. In diesem Herbst beispielsweise hat er sich seine Buchcover von Neo Rauch bemalen lassen. Ein Bild des Leipziger Superstars ging vor wenigen Monaten für 680.000 Euro an Brad Pitt. Die Zusammenarbeit, erzählt Joachim Unseld, sei durch ein Gespräch mit Rauchs Galeristen Gerd Harry Lybke zustande gekommen. Daraufhin habe Rauch sämtliche Manuskripte der Herbsttitel lesen wollen. Während der Leipziger Messe lieferten der Verleger und sein Autor Ernst-Wilhelm Händler den letzten Text persönlich in Rauchs Atelier ab, dann begann das Warten. Am Karfreitag kam der Anruf: Die Bilder seien fertig, jetzt müssten sie nur noch trocknen.

Sehr unseldisch gedacht

Rauch sei, so sagt Unseld, literaturaffin und habe sich an buchgestalterischen Maßstäben orientiert. Geld sei nicht geflossen: Die Kunstwerke seien direkt an den Markt gegangen und heute schon allesamt verkauft. Eines ist Joachim Unseld damit auf jeden Fall gelungen: Er hat von sich reden gemacht, und das ist nicht unwichtig. Die Rauch-Cover polarisieren in ihrer Farbkraft und mit der steilen Frakturschrift, die bevorzugt verwendet wird. Die konservativen Vertreter und Buchhändler sollen die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben. Doch es ist letztendlich sehr unseldisch, sich erst in zweiter Linie darum und in erster Linie um ästhetische Kriterien zu kümmern.

Das gilt im gleichen Maße auch für Ernst-Wilhelm Händler, an dessen komplexes Werk Unseld von Beginn an geglaubt hat. Der neue Händler-Roman „Stadt aus Glas“ steht nun auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis. Ein ansonsten charmanter Feuilletonkollege ätzte daraufhin recht uncharmant, dass dies nur der „aufdringlichen Lobbyarbeit“ seines Verlegers zu verdanken sei. Als würde eine ganze Jury sich auf diese Weise behumsen lassen! Pfui! Oder war das feine Ironie?

Joachim Unseld hat im Übrigen noch einen neuen Job; unbezahlt, aber anstrengend: Er löste Rainer Weiss, den ehemaligen verlegerischen Geschäftsführer des Suhrkamp Verlages, als Vorstandsvorsitzenden des Frankfurter Literaturhauses ab. Die Mitgliederversammlung wählte Unseld in Abwesenheit in einer Kampfabstimmung – das geht auch nur in einer Kleinstadt wie Frankfurt. Zuvor war der Verleger K.D. Wolff aufgestanden und hatte noch einmal bestätigt, er habe Joachim Unseld vor einigen Tagen im Schwimmbad getroffen; der wolle das wirklich machen. Nun kommt nicht wenig Arbeit auf den neuen Vorstandsvorsitzenden zu: Rainer Weiss hatte den Vertrag mit der weithin anerkannten künstlerischen Leiterin Maria Gazzetti nicht verlängert; ein Vorgang, der Wellen schlug, die Unseld nun glätten muss.

Geld auftreiben

Und schließlich: Kein Beitrag über Joachim Unseld ohne die neueste Suhrkamp-Wasserstandsmeldung. Als Suhrkamp-Gesellschafter hatte Unseld gegen den Umzug nach Berlin Klage eingereicht mit der Begründung, die Gesellschafterversammlung habe ihn zu dem Beschluss nicht angehört. Suhrkamp argumentiert nun dagegen, es habe gar keinen Umzugsbeschluss gegeben. Da wundern sich selbst diejenigen, die diesen Komplex schon seit Jahren verfolgen. Immer mal etwas Neues, dieses Mal ein Wunder: ein Umzug ohne Umzugsbeschluss.

Was Joachim Unseld mit der Klage bezwecken könnte? Vielleicht will er tatsächlich, dass Suhrkamp in Frankfurt bleibt. Vielleicht geht es auch einfach nur darum, eine höhere Summe für die eigenen Anteile herauszuschlagen. Und ganz verwegene Gerüchte besagen, Unseld sei dabei, Geld aufzutreiben, um Suhrkamp aufzukaufen. So ist das in einer Minimetropole. Man redet und redet und redet. Demnächst, am Buchmessendonnerstag, dann wieder auf der FVA-Messeparty. Ohne Sixpack im Gepäck.