BLUT IM BIERGARTEN
: Logik und Polizei

„So geht’s ja auch nicht“, sagt der Polizist

Die Polizei ist bereits eingetroffen. Gleich mehrere Streifenwagen haben sich versammelt, einige Leute bluten, andere nicht, wieder andere sind mit Beulen davongekommen. Die Polizisten verhören die Zeugen. Schließlich bin ich an der Reihe. Zuerst wird der Personalausweis begutachtet. „Sie haben sechs Vornamen?“, fragt mich der Gesetzeshüter als Erstes.

Es sind Fragen wie diese, die mich im Alltag immer wieder verzweifeln lassen. Wenn ich morgens wach werde und neben mir fragt jemand beispielsweise: „Ist es draußen kalt?“, dann kann man das unter charmanter Blödheit abtun. Doch in diesem Fall fand weder ein Austausch von Körperflüssigkeiten mit dem Gesprächspartner statt, noch hat er sich allein durch seine bloße Anwesenheit einen Sympathiebonus verdient.

„Nee, Herr Wachtmeister, der Perso is ’ne Fälschung, damit ick heimlich mehr Vornamen dazudichten konnte“, sage ich also. Nun geht es um die Tat an sich. Der Gast eines Biergartens hatte einem Angestellten einen Bierkrug an den Kopf geworfen, was dieser nicht auf sich sitzen ließ. So weit, so gut. Für mich schien die Sachlage klar, doch der Polizist war anderer Meinung: „Sie müssen sich auch mal in die Lage des Gastes versetzen. Sie haben einen schwachen Moment und werfen ein Glas. In dem Moment, wo Sie es werfen, tut es Ihnen aber schon wieder Leid. Und dann kommt nun der andere, der viel größer ist, und haut ihnen ’n paar auf die Schnauze. So geht’s ja auch nicht.“ Sprach’s und schaute klug. Ich fragte, ob ich ihn in diesem Zusammenhang zitieren dürfe. Er nickte nur verwundert. Wenn ich nächsten ersten Mai auf den Straßen von Kreuzberg mal wieder einen – Gott bewahre – schwachen Moment haben sollte und eine Horde größerer und stärkerer Männer mit Helmen und Schlagstöcken auf mich zurennt, dann weiß ich, wie ich zu argumentieren habe. JURI STERNBURG