DAUMENKINO
„Ashes of Time – Redux“

Auch als sogenannte Redux-Fassung bleibt „Ashes of Time“ ein seltsamer Film: Wong Kar Wai überarbeitet nach fast 14 Jahren einen Film, um ihn endlich zu dem Film zu machen, den er immer drehen wollte, und entfernt sich dabei von dem Regisseur, den man kennt oder zu kennen glaubte. Wenn auch zaghaft und zögerlich, verschiebt er die Tonlage, die sein Kino bestimmt, um eine winzige, aber wesentliche Nuance. „Ashes of Time – Redux“ ist nicht mehr durchdrungen von jener Melancholie, die die Zeit ins Unendliche dehnt, die unendlich Sehnsüchtige um sich selbst und das Liebesobjekt kreisen lässt. Aus Melancholie ist Trauer geworden. Und das heißt, dass etwas in Bewegung gerät. Tatsächlich bekommen wir es in der gekürzten und digital überarbeiteten Version mit Helden und Heldinnen zu tun, die sich ihres Schmerzes bewusst werden, die sich in Off-Monologen zu ihrer Trauer bekennen.

Zunächst hat Wong Kar Wai seinen 1994 gedrehten Martial-Arts-Film entmartialisiert und die Kampfszenen weitgehend herausgeschnitten. Wenn seine Helden jetzt die Waffe zücken, gibt es meistens keinen Feind, sie treten gegen sich und ihre Gefühle an. In der Einsamkeit der Wüste vermittelt Quyang Feng (Leslie Cheung) Auftragsmorde an Schwertkämpfer, doch ob Kunden oder Killer: jeder, der ihn aufsucht, ist ein von der Liebe Beschädigter. Quyang selbst hat seine Geliebte an den eigenen Bruder verloren. Ein fast erblindeter Schwertkämpfer will einen letzten Auftrag, um seine große Liebe noch einmal aufzusuchen. Eine psychotische Frau hat sich in zwei Persönlichkeiten aufgespalten: in die Prinzessin Yin und in deren Bruder Yang, der sie jagt, weil er keinen anderen Mann neben sich duldet.

Vielleicht sind all diese schmerzerfüllten Männer und Frauen ohnehin nur die verschiedenen Facetten einer einzigen gestörten Seele, die vergessen will. In Gestalt des Kriegers Huang trinkt diese Seele Zauberwein, der die Vergangenheit und eine unglückliche Liebe auslöschen soll. In anderer Gestalt weiß die Seele, dass die Erinnerungen stärker sein werden.

Auch wenn Wong Kar Wai wie gewohnt mit Wiederholungen arbeitet, scheint das einzelne Bild hier nicht mehr die Zeit aufhalten, die Gefühle festhalten zu wollen. Die nachträglichen Kolorierungen führen zur Überstilisierung, herbstlich goldgelb leuchtet dieser Film und lässt am Ende wunderschön kitschig Pfirsichbäume erblühen. Auch wenn sie ihren Schmerz noch im Gepäck hat, begibt sich Wong Kar Wais gestörte Seele dann auf Wanderschaft. ANKE LEWEKE

■ „Ashes of Time: Redux“. Regie: Wong Kar Wai. Mit Leslie Cheung, Brigitte Lin, Tony Leung u. a. Hongkong 1994/2008. 93 Min.