ES GIBT SIE NOCH, DIE MODS. DER AUFBREZELFAKTOR IST IMMER NOCH HOCH. DIE WEISSEN STIEFEL GEPUTZT
: Bis die Polyesterkleider zu Staub verfallen

VON JENNI ZYLKA

AUSGEHEN UND RUMSTEHEN

We are moths, we are moths, we are, we are, we are moths“, summte es verheißungsvoll aus meinem Kleiderschrank, als ich davor stand, um den persönlichen Aufbrezelfaktor für das letzte Wochenende mal eben um ein Hundertfaches zu erhöhen: Ein dedicated follower of fashion weiß, was man einem Mod-Weekender schuldig ist. Und so lange dauert Vintagekrawattenbügeln auch gar nicht.

Dabei fing der erste Abend der „Berlin Beat Explosion“ am Donnerstag im Privatclub eher schüchtern an, wir zählten gerade mal drei Paar weiße Stiefel und zwei schwarzgefärbte The-Lords-Ponyperückenfrisuren, selbst angereiste Limeys, jene beneidenswerten Eltern der Mod-Weekender, tranken freundlich und gesittet ihre 200 Liter Bier und benahmen sich bei weitem nicht so, wie Friedrichshainer Wirte kolportieren.

Auf dem Rückweg, nach einem hübschen „The What… For!“-Konzert und einer Menge Single-B-Seiten im anschließenden DJ-Set stellten wir erstaunt fest, dass sogar mein ehemaliger Fernsehmechaniker an der Skalitzer Straße einer Bar gewichen ist, in der nur noch ein kleiner Fernseher stand. Darüber flimmerten wie ein Testbild die Getränkepreise.

Den Freitag verbummelte ich anderweitig, am Samstag stand ich aber wieder herausgeputzt wie ein Retro-Tannenbaum auf der Matte, um im Lido zu flanieren. Zwischenzeitlich hatte sich die Weiße-Stiefel-Dichte massiv erhöht, allüberall begrüßten und verwechselten sich Männer in todschicken und frivol eng sitzenden Anzügen und glaubten, sich auf anderen Weekendern kennengelernt zu haben, einer hatte sogar den Quadrophenia-Schminktipp befolgt und sich die Augen Qualudes-Schwarz umrahmt. Und als später „Len Price 3“ spielten, drei Engländer in jenem gestreiften Pullover, der sowohl vom Mod-Urgestein Picasso als auch von Brian Jones getragen wurde, setzte ich mich an die Seite, wippte aufgeregt im Takt und guckte den Mods glücklich auf die geputzten Schuhe – Mod kommt zwar von Modernist, nicht von Mode, aber what the heck. Es wunderte einen nicht mal mehr, dass der hervorragendste Garagensound des Abends ausgerechnet von den österreichischen The Staggers kam, denn wieso soll nicht auch die Steiermark nach wildem Rock ’n’ Roll brüllen?

Im Gegensatz zur vergleichbaren Nischenkultur des wieder boomenden Rocka- und Psychobilly scheint meinen gut angezogenen FreundInnen langsam der Nachwuchs abhandenzukommen, doch das macht es umso schöner. Wer weiß, vielleicht wird man, wenn man noch ein bisschen dranbleibt, bei solchen Veranstaltungen demnächst ein paar Glatzen-Mods ausmachen. Schließlich gibt es uns schon seit den 60ern, da können wir nicht mehr wirklich jung sein.

Am Sonntag wollte ich nicht gleich entziehen und mich wieder in die üblichen graubraunen Jutetüten hüllen, darum trat ich nochmal als Freizeitmod im wunderhübschen Prinzessinnengarten am Moritzplatz in Erscheinung und schaute mir mit wissend-abweisendem Blick eine überhaupt kein Stück rockende Songwriterband inklusive Cello und zweistimmigem Gesang an – nach einem Wochenende voll staubigem Beat kommt man nicht so schnell auf das beliebte saubere Chillniveau runter. Will ich auch gar nicht. Ich will Mod bleiben, bis sogar die Polyesterkleider zu Staub verfallen und die Kinder sagen: Iih, guck mal, die Oma ist aber viel zu alt für Miniröcke.