NUR BEIM ROCK ’N’ ROLL SCHAUTEN DIE SCHNITTIG FRISIERTEN FRAUEN AUF UND SANGEN EINE HEADCOATEES-NUMMER MIT
: Was wäre die Welt für mich ohne dich?

VON RENÉ HAMANN

Als wir noch als Quark im Schaufenster standen, gab es in München eine Band namens Die Bambis, erzählte der Stammgast aus Wien in den frühen Morgenstunden und intonierte deren ersten Hit. „Es gibt Millionen von Sternen … Unsere Stadt, die hat 1000 Laternen … Gut und Geld gibt es viel auf der Welt.“ Ich erinnerte mich, das Lied einmal in fremden Ehebetten gesummt zu haben. Die Bambis aus München also. Als die Bambis ihren zweiten Hit hatten, auf den wir jetzt alle nicht mehr kamen, spielte Roy Black noch in einer Band, die ganz gut gewesen sein soll, aber auf deren Namen kamen wir auch nicht.

Draußen strahlten die tausend Laternen auch schon nicht mehr so stark, und ein milchiges Weltalllicht schlich sich in die Straßen unserer Stadt. Es war Feierabend. Feierabend für das Thekenpersonal, das nun ordentlich alles abwischte, Sprühflaschen mit Putzmittel in der Hand; Feierabend für die Schallplattenunterhalter, die vor dem letzten Getränk und einem fantastischen Stück Käsekuchen mit dem letzten Stammgast dreisam an der Theke saßen, während draußen jemand am Schaufenster vorbei nach Hause eilte, weil der Hund musste ja noch raus. „Schon der Gedanke, dass ich dich einmal verlieren könnt?“, sang der nette Wiener weiter. Und ich erinnerte mich an den Schockmoment, an die Blicke, die wir oben auf der Empore bekamen, als wir die schwedische Version von „Schön ist es, auf der Welt zu sein“ von – eben! – Roy Black und der präpubertären Anita laufen ließen.

Mindestens einen dieser Momente, neben all dem Rock ’n’ Roll, dem New Wave, Punk und Indiekram, den wir sonst so spielten, sollte es geben an so einem Abend, aber wir hatten dann noch für weitere solcher Momente gesorgt. „Dass dich ein anderer Mann einmal sein eigen nennt.“ Zum Beispiel hatte The Verves „Bittersweet Symphony“, ein immer noch wahnsinnig schönes und zielsicheres Stück, zusammen mit der nicht minder tollen Coverversion von „Girls & Boys“ von Ted Edwards natürlich dafür gesorgt, dass sich zwei, drei trinkfeste junge Männer unbedingt etwas von Oasis wünschten. Dabei gehen Wünsche doch gar nicht! Erste Höflichkeitsregel bei jeder öffentlichen Tanz- und Lauschveranstaltung auf Konservenbasis!

Egal, Oasis waren ohnehin zu Hause geblieben. Im Gegensatz zu Fergal Sharkey („Wer bitte?“) oder auch zu Dial M For Murder. Letztere, eine Band, die mit wavigen Klängen spielt, hatten die Frage provoziert: „Sind die von früher oder klingen die nur so?“ „Klingen nur so.“ „Toll!“ Ein Tisch mit schnittig frisierten jungen Frauen hingegen hatte immer nur bei R-’n’-R-Schema- und ausgeliehenen Surfstücken hochgeguckt (und konnte eine Headcoatees-Nummer mitsingen!).

„Es macht mich traurig, weil du für mich die Erfüllung bist?“, na ja, so wild war der Abend auch nicht gewesen, und niemand war eine Filtertüte, aber der Käsekuchen war lecker, und das Taxi zurück zeigte dem Asphalt, was eine Harke ist. Am nächsten Tag, inmitten der Nebelbänke, und das, obwohl ich nicht geraucht hatte, seit vier Wochen schon nicht!, waren kaum sinnvolle Gedanken entstanden. Nur erinnerte ich mich, dass ich die Dame, die mich ein-, zweimal angelächelt hatte und sich dann demonstrativ von mir verabschiedete, tatsächlich kannte. Was ich im Moment selbst allerdings nicht erinnert hatte. Aber schön, wenn mal jemand ein besseres Personengedächtnis hat als ich! Ansonsten gab es am Sonntag natürlich nur Schokolade, ein bisschen Buch, ein bisschen Fernsehen, geschlossenes Feuer, die eigenen vier Wände. „Was wäre die Welt für mich ohne dich?“ Tja, was nur!