JESUS AM UFER
: Licht und Ton

„Abfahrt ist nun wirklich anderswo“

Schon klar – nach dem opulenten Abendmahl in diesem leicht überteuerten Punker-Italiener am Fuße des Prenzlauer Berges hatte Zoe uns beim Abschied noch gewarnt: „Und nehmt bloß nicht so viele Drogen!“

Indes: Es war schäbig nass und verflucht kalt, der Hals kratzte vom vielen Rumstehen in gleichermaßen verrauchten wie ungeheizten Räumen – und schwupps war bereits die fünfte Dolo-Dobendan an diesem Tag fällig.

Ob es wohl an ihr lag, dass später im Club die Musik so seltsam klang? Ein eigenwilliges Knistern und Knacksen erfüllte den aus der Zeit gefallenen Raum, während ein Künstler in der Art eines vorsintflutlichen Mad Scientist an einer Schalttafel herummachte, die verschiedene Glühlampen zum Auf- und Abblenden brachte. Knicks. Knacks. Srrrrrr.

Was meinen blonden Begleiter auf Dauer nicht sonderlich zu begeistern vermochte: „Bass, Bass, wir brauchen Bass – was geht denn, Alder?“, sagte er dazu zwar nicht direkt, aber sein diskreter Verweis auf hessische Wurzeln hieß wohl: „Abfahrt ist nun wirklich anderswo.“ Kalkbrenner, Brettschneider und Co. hätten es nun wirklich mehr drauf, dazu wusste er auch noch die eine oder andere Sache über iberische Pulverprobleme anzumerken. „Trallala.“

Doch irgendwie war es auch ganz nett bei Jesus am Ufer: Über die schräge Hütten-Installation und den Rest lässt sich reden, dazu besänftigten die rückenschonenden Sitzgelegenheiten, die als retrofuturistische Boccia-Kugeln auf Anabolika zu beschreiben vielleicht verstrahlt, aber nicht unangemessen wäre, das zwischen Easyjetset und Diskursdisko angesiedelte Publikum.

Und verloren war der Abend ganz und gar nicht: Auf der Heimfahrt im 240er klang das Geräusch der flackernden Busbeleuchtung beinahe wie Musik in meinen Ohren. GUNNAR LÜTZOW