Normalisierung im Hause Suhrkamp

Briefe von Suhrkamp werden inzwischen von der Frankiermaschine mit einem Stempel versehen. „Neue Adresse ab 1. Januar 2010 – Suhrkamp Verlag, Pappelallee 78–79, 10437 Berlin“ steht darauf. Von der Frankfurter Lindenstraße zum Übergangsquartier in die Berliner Pappelallee, bis in zwei Jahren das repräsentative Domizil in Berlins Mitte endgültig hergerichtet sein wird: lustig eigentlich, dass in der Anschrift neben der Postleitzahl erst einmal nur die Baumsorte geändert wird! Als sollte zumindest symbolisch bei diesem Umzug doch noch ein sanfter Übergang geschaffen werden. Der Rest der Unternehmung vollzog sich nicht so harmonisch.

Ob man neben allen Manuskripten, Schreibtischpflanzen und Kaffeetassen auch den Mythos Suhrkamp mit in die Umzugskisten packen kann, ist die Frage. Manches spricht dafür, dass in Berlin aus den Kisten eher ein ganz normaler Verlag wieder ausgepackt werden wird – ein Verlag halt wie andere Verlage auch. Muss auch nichts Schlechtes sein. Kommt halt drauf an, was man daraus macht. Immerhin gehören zu einem normalen Verlag nur normale Verlagskrisen wie Umzsatzeinbußen und Streit mit Autoren – und nicht auch noch das ständige Abarbeiten an einer idealisierten Vergangenheit. Auch eine Art Fortschritt.

Einen gewichtigen Schritt in Richtung solcher Normalisierung ist Suhrkamp auch sonst vorangekommen. Mit Joachim Unseld, Sohn des verstorbenen Verlagspatriarchen Siegfried Unseld und zuletzt noch 20-prozentiger Anteilseigner, hat man sich geeinigt. Seine Anteile werden übernommen, über die Kaufsumme wurde Stillschweigen vereinbart. Damit ist es gelungen, das Familienclanhafte und das Verlagsgeschäft weitgehend zu entkoppeln. Den Berliner Suhrkamp-Verlag wird man jetzt nur noch am Verlegerischen messen.

Dass man allerdings mit einem Umzug allein den normalen Ärger des Verlagsgeschäftes nicht wird verhindern können, zeigen die aktuellen Auseinandersetzungen mit Katharina Hacker. Nachdem ihr aktueller Roman nur noch aus Vertragsgründen bei Suhrkamp erschienen ist, wechselt die Buchpreisträgerin des Jahres 2006 nun im Streit zum Fischer-Verlag. Anzunehmen, dass man in Berlins Pappelallee bald schon feststellen wird, dass auch normale Verlagskrisen ganz schön nerven können. Und dass der Mythos Suhrkamp nun zwar einerseits nicht mehr belastet. Aber andererseits auch nicht mehr hilft. DIRK KNIPPHALS