Den Literatur-Nobelpreis abarbeiten

FESTAKT Feiern ist ein Job, der mit Schreiben nicht unbedingt etwas zu tun hat: Herta Müller in Stockholm

„Ich bin jetzt hier in Stockholm kein Schriftsteller. Ich mache da einen ganz anderen Beruf. Der gehört dazu“

HERTA MÜLLER

Es hat alles gut geklappt. Die Schriftstellerin Herta Müller nahm gestern in Stockholm den diesjährigen Literaturnobelpreis entgegen. Den Preis erhielt die 1987 von Rumänien nach Berlin emigrierte 56-Jährige im Rahmen einer Feierstunde im Konzerthaus der schwedischen Hauptstadt für ihre literarische Aufarbeitung von Erfahrungen in der kommunistischen Diktatur, „die mittels Verdichtung der Poesie und Sachlichkeit der Prosa Landschaften der Heimatlosigkeit zeichnet“ (Begründung der Schwedischen Akademie).

Die traditionell am Todestag des Stifters Alfred Nobel verliehenen Nobelpreise waren in diesem Jahr mit jeweils 10 Millionen Kronen (umgerechnet etwa 950.000 Euro) dotiert. „Keine Sorge, ich werde mir keine Luxusjacht kaufen“, verweigerte Müller auf einer Pressekonferenz die Antwort auf die Frage, was sie mit diesem Preisgeld tun werde: „Ich bin ein ganz gewöhnlicher Mensch, das werde ich auch bleiben.“ Als die früheren Literaturnobelpreisträger, denen sie sich am ehesten verwandt sieht, nannte sie Samuel Beckett, Nelly Sachs und Imre Kertész. Und auf die Frage, ob Rumänien ihre Heimat sei: „Was ist Heimat? Ich bin ja in Rumänien geboren und aufgewachsen. Aber das war nicht Heimat. Da, wo man nicht leben kann und Angst um sein Leben hat, kann man nicht sein Heim haben.“

Die Feierlichkeiten, die am späteren Abend mit einem Bankett im Stockholmer Rathaus fortgesetzt wurden, bezeichnete Müller als „eben einen Job“, der mit ihrer Schriftstellerei nichts zu tun habe. „Ich bin jetzt hier in Stockholm kein Schriftsteller. Ich mache da einen ganz anderen Beruf. Der gehört dazu. Und nicht ich bekomme den Preis, sondern meine Bücher.“

In seiner Laudatio würdigte Anders Olsson, Akademiemitglied und Professor für Literaturgeschichte, Müllers aus „doppelter Wurzellosigkeit“ geborene Prosa als „eine Literatur, die den Leser auf der Stelle gefangennimmt“. Urkunde und Medaille erhielt Herta Müller zusammen mit den elf weiteren PreisträgerInnen – darunter fünf Frauen – der Nobelpreise in Medizin, Physik und Chemie sowie des Wirtschaftspreises der schwedischen Nationalbank aus der Hand von Schwedens König Carl XVI. Gustaf. Vor Müller hatten in den letzten zehn Jahren Günter Grass 1999 und 2004 die Österreicherin Elfriede Jelinek den Preis für deutschsprachige Werke bekommen. REINHARD WOLFF