ZWISCHEN DEN RILLEN

Das Schwierige und das Leichte

Es gibt sie noch: die guten Bands. Und wenn da eine ist, die man vor allen anderen für diese gewagte Behauptung als Beleg anführen kann, dann sind das ja wohl The Fiery Furnaces, derzeit wohl die beste Band der Welt.

Sie haben alles: eine atemberaubend attraktive, geheimnisvolle Frontfrau, ein genialisches Mastermind mit unstillbarem Ideenausstoß, einen brillanten Schlagzeuger mit dem furchterregenden Äußeren eines Geldeintreibers und eine immense Produktivität ohne Qualitätseinbrüche, file under: Gourmetquatsch mit Meistersoße.

Klar, das ist nicht der Stoff, aus dem Projektionsfiguren für sich in Adoleszenznöten befindende Greens, Teens, Twens und Fans gemacht sind. Die Fiery Furnaces verehren Led Zeppelin, würden aber dennoch nie ein „Rock“-Album machen. Wie wunderbar!

Ungestörte Demontage

Man schläft doch gleich viel besser, wenn man weiß, dass so eine brillante, wiewohl schwer vermittelbare und womöglich fragile Arbeitseinheit bei einem verständnisvollen und sich kümmernden Unternehmen wie dem in Chicago ansässigen Label Thrill Jockey Unterschlupf gefunden hat. Dort dürfen sie weiterhin ungestört an der Demontage ihrer ohnehin nie so recht gestarteten Karriere arbeiten und jedes Jahr im Wechsel ein schwieriges und ein fröhliches Album herausbringen.

Das kürzlich veröffentlichte Fiery-Furnaces-Werk „I’m Going Away“ war ausgesprochen gut gelaunt, teilweise geradezu eingängig. Davor gab es die kühne Cut-up-Montage „Remember“ mit zwei CDs aus diversen Liveschnipseln, die nicht nur die alte Rockikone „Live-Doppelalbum“ aufs Köstlichste schändete, sondern auch ein schönes Dokument des Ehrgeizes von FF-Mastermind Matthew Friedberger ergab, die Stücke seiner Band ungefähr einmal im Monat komplett neu zu arrangieren. Weil die monatlichen Neuarrangements aber immer noch nicht genug sind, um bei M. Friedberger nicht hin und wieder Langeweile aufkommen zu lassen, nahm er Anfang 2006 schließlich noch zwei Soloalben auf – richtig geraten: ein schwieriges und ein, na ja, leichteres.

Thrill Jockey macht diese Werke jetzt endlich einer breiten Öffentlichkeit zugängig. Dabei klingt „Winter Women“ noch recht stark nach Fiery Furnaces, allerdings ohne den dramatischen Gesang von Matthews schöner, aber schwieriger Schwester Eleanor und das filigrane Power-Drumming von Robert D’Amico. „Holy Ghost Language School“ ist dagegen ein alle Songstrukturen hinter sich lassender Musikroman, in dem Friedbergers Idiosynkrasien sich so richtig austoben dürfen: uncoole Retrosounds aus dem Billig-Keyboard, aufdringlicher Einsatz zu Recht vergessener Eighties-Effektgadgets, ein Honky-Tonk-Klavier, groteske Soli auf allen beteiligten Instrumenten, ein rumpelig programmiertes Schlagzeug, Texte aus Alliterationskaskaden. Dazu ein deutlich weiteres und abenteuerlicheres harmonisches Spektrum als bei seinen FF-Kompositionen.

Sogar die Gesangsparts gelingen Matthew passabel, dennoch widmet er die Arbeiten sicherheitshalber seiner dem Vernehmen nach zu Jähzorn und schlechter Laune neigenden Schwester.

Eine charmante Geste eines großen Mannes, dem die schnöde Welt der Popmusik langsam mal für sein reiches Angebot an Auswegen aus dem allgemeinen Wiederholungszwang und anderen Alltagsgebresten in die Jahre kommender Kunstformen ihren Dank zum Ausdruck bringen sollte. DETLEF DIEDERICHSEN

■ Matthew Friedberger, „Winter Women“

■ „Holy Ghost Language School“ (beide Thrill Jockey/Rough Trade)