Britischer Bass-Sound 2009: It doesn't really matter

Dubstep, der herrschende Sound im Großbritannien der Nullerjahre, hat sich 2009 in viele kleine Subgenres aufgespalten - nicht zu seinem Nachteil.

Der Bass ist weniger wichtig, kommt aber immer noch gut. Bild: dpa

Es mutet paradox an, doch 2009 wurde in der britischen Bassmusik der Bass ein wenig unwichtiger. Nachdem jahrelang die tiefen Frequenzen früher Dubstep-Releases sorgfältig eingehegt wurden, erregten dieses Jahr die flatternden Tonhöhen der Synthesizer die Aufmerksamkeit britischer Clubber.

Egal ob es sich um die breiten Funksynthies der Bristoler "Purple Wow"-Crew um Joker, den 16bit-LoFi-Sound von Ikonika und Zomby aus London oder die geschmackvollen Modulationen von Joy Orbison und Jam City handelte - ein bedrohlich wirkender Bass-Sound ist dem verspielten Umgang mit den Frequenzen gewichen. So konnte man eine wachsende Teilung der Dubstep-Community beobachten: auf der einen Seite international gebuchte Stars wie Skream, ohne dessen Remixe kaum ein Charts-Act auskommt. Dennoch wird ihr Sound immer formelhafter. Auf der anderen Seite stehen experimentierfreudige Produzenten mit einem Ohr für die Piratenradiosender der britischen Hauptstadt - den Durchbruch schafft man nur hier.

Pirate-Radio wird mittlerweile von UK Funky beherrscht, einer Housespielart, deren Ursprünge umstritten sind. Einige schreiben die schnellen Drumpatterns dem Soca zu, andere wollen hier die Einflüsse der afrikanischen Community erkennen, deren Selbstverständnis ohne die Erzählungen der Middle Passage und des Exils auskommt, die prägend für die karibischen Einwanderer sind.

Auf jeden Fall wird auf dem Dancefloor wieder gesungen. "Skanks" heißen die Mitsing-Tunes, die Tanzschritte beschreiben oder wie beim "Swine Flu Skank" die Hysterie über die Schweinegrippe parodieren.

UK Funky war jedoch auch das nächste Kapitel in der Geschichte des Hardcore Continuum, einer Theorie des Musikjournalisten Simon Reynolds, der die Entwicklung englischer Dance Music als Ausdruck des kollektiven Willens "to push things forward" beschreibt. Funky wurde in der Folge nicht nur fester Bestandteil der DJ-Sets von Kode 9, dessen Label Hyperdub die experimentellen Ränder der Dubstep-Szene bündelt, sondern verschaffte auch Überproducer El-B, dessen düsterer Garage die Blaupause für die Bassmusik dieses Jahrzehnts bildet, ein respektvolles Comeback.

Überhaupt war 2009 das Jahr, in dem britische Producer sich um die Geschichte von Dance Music bemühten. Boxcutter legte mit "Arecibo Message" ein kleines Geschichtsbuch des Hardcore-Kontinuums vor, während Zombys Veröffentlichungen den verspielten "Spirit of 92" huldigen. Selbst junge Produzenten wie der 22-jährige Joy Orbison synthetisieren auf ihren Tracks Einflüsse, die weit über ihre Zeit als Musikhörer hinausgehen. Eine wichtige Rolle spielen dabei Internetforen, die Mixe und die politischen Aspekte britischer Dance Music diskutieren.

Nicht umsonst deckte ein Musikjournalist die rassistische Praxis der Londoner Polizei auf, Genehmigungen für Partys davon abhängig zu machen, ob dort Genres wie R n B oder Grime gespielt werden, die ein überwiegend schwarzes Publikum anziehen. Denn trotz des nerdigen Bemühens um den neuesten Sound ist das Versprechen des Hardcore Continuum ein soziales - ein Ort, an dem man über Ethnizität und Klassenzugehörigkeiten sagt: "It doesnt really matter."

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