IM RAPPEN
: Schlichtungsrunde

Sorry, Jungs. Pharmaindustrie kann heut nich kommen

Eigentlich habe ich ziemlich klare Feindbilder. Die Atomlobby, die Finanzwelt und die Pharmaindustrie. Das Beste, um alte Feindschaften loszuwerden, ist, sich mit seinen Feinden an einen Tisch zu setzen, am besten an einen runden. Dann kann es durchaus zu einer Annäherung kommen.

Aber bereits an der Stelle wird es knifflig. So ohne weiteres bekommst du die drei nicht gemeinsam an einen Tisch. Doch ich will mir da mal nichts vorwerfen lassen und versuche es zumindest! Setze einen Brief auf, in dem ich für Mittwoch, 17 Uhr zu einem klärenden Gespräch in den „Rappen“ einlade. Die Situation sei zwar verfahren, erkläre ich im Einladungsschreiben, aber keineswegs aussichtslos – noch könnten wir im Dialog zueinanderfinden.

Überpünktlich sitze ich am runden Tisch. Auch, damit möglichst gleich bei der Begrüßung das erste Eis gebrochen wird. Vorsorglich bestelle ich uns schon mal vier Pils. Irgendwie habe ich ein gutes Gefühl. Noch ist niemand in Sicht. Auch nach zwanzig Minuten – keiner da. Das zart geknüpfte Band droht wieder zu reißen, da endlich geht die Tür auf.

Willi. „’N Abend.“ Fragender Blick. „Warten wir noch oder fangen wir an?“ Ich zögere, dann schiebe ich ihm ein Pils rüber. „Lass uns anfangen.“ Wir stoßen an. Das Gespräch kommt nur schleppend in Gang, und als ich ihm die im Laufe meines Lebens gezahlten Überziehungszinsen vorrechne, läuft Moritz ein.

„Hast du mal auf deine Atomuhr geschaut?“, mahnt Willi. „Du bist ’ne halbe Stunde überfällig!“ „Sorry, Jungs. Pharmaindustrie kann heut nich kommen. Seine Frau hat ’n Veto eingelegt.“

Wir trinken eine Runde Pils nach der anderen, und mit Erreichen der Sperrstunde sind auch die letzten Barrieren aus dem Weg geräumt. Beim Verlassen des „Rappen“ sind sich alle nah und stützen sich gegenseitig.

JOCHEN WEEBER