Vier Golden Globes für David Fincher

„Alles in 3-D dieses Jahr“, scherzte der britische Komiker Ricky Gervais in seinem bösen Eröffnungsmonolog als Golden-Globe-Moderator, „nur nicht die Charaktere in ‚The Tourist‘.“ Das saß, weil es wahr ist. „Ein billiger Scherz, ich weiß“, fügte Gervais hinzu, „zumal ich den Film gar nicht gesehen habe. Aber wer hat das schon?“ Und einer geht noch: „Hey, der Film kann nicht schlecht sein, schließlich ist er ja nominiert.“ Das war er, und zwar in der Rubrik „bestes Musical/beste Komödie“, was insofern jedermann überraschte, als er ja weder das eine noch das andere ist. Leer aus ging Florian Henckel von Donnersmarcks Hollywood-Flop in jedem Fall, zur Erleichterung aller Experten.

Fröhliche Beleidigungen

Gervais beleidigte fröhlich weiter drauflos: von Cher bis Tom Cruise, von Charlie Sheen bis Hugh Hefner („wo wir gerade über die Zombieserie ‚The Walking Dead‘ sprechen“) blieb kaum einer verschont. Der große Gewinner des Abends dann aber doch. Mit seinen vier „Golden Globes“ – beste Regie, bestes Drehbuch, bester Film, beste Musik – ist David Finchers Facebook-Film „The Social Network“ nun auch endgültig haushoher Favorit für die Oscars. Zeit wird es für Fincher, denn mit „Sieben“, „Fight Club“ oder „Zodiac“ hat er ein paar der besten Hollywoodfilme der letzten fünfzehn Jahre gedreht. Einen Oscar gab’s bisher nicht.

David Finchers Werdegang ist durchaus typisch für die Regisseure seiner Generation. Er ging bei Georg Lucas’ Trickfirma „Industrial Light and Magic“ in die Schule und machte sich als erfolgreicher Werbe- und Musikvideofilmer einen Namen. Allerdings hing ihm der Ruf nach, dass er sich mehr für die Oberfläche als für irgendwelche Tiefen interessiert. Eigentlich gilt das bis heute, nur hat er das Urteil bald zu seinen Gunsten gewendet. Er ist ein bekennender Perfektionist und sehr stolz darauf, die erste Einstellung von „The Social Network“ nicht weniger als 98 Mal gedreht zu haben. Als Detailfetischist hat er aus Aaron Sorkins so gewitztem wie dialoglastigem, aber auch ziemlich konventionellem Drehbuch fast mehr herausgeholt, als überhaupt drin ist.

… und Blasphemien

Während Sorkin Licht auf die juristisch und ethisch umstrittene Facebook-Entstehung wirft, fügt Fincher das Uneindeutige und den Schatten hinzu. Indem er nämlich einerseits faszinierende und bis ins letzte Detail ausgearbeitete Oberflächen schafft und Pixel für Pixel jedes Bild kontrolliert. Dies aber im Dienst nicht der Eindeutigkeit, sondern einer Ambivalenz, die fast vergessen macht, wie wenig sich „The Social Network“ eigentlich für das Phänomen Facebook interessiert. Ein Königsdrama mit diesen bei Licht besehen lächerlichen Harvard-Nerds? Wenn einer das hinbekommt, dann ist es Fincher. Nur auf den Oberflächen seiner Filme kann eine flache Figur wie Mark Zuckerberg zum faszinierenden Suchbild verschwimmen. Ricky Gervais übrigens dankte am Ende des Abends dem Herrn – dafür, dass ER ihn als Atheist schuf. Ihn sehen wir bei den „Globes“ ganz sicher so schnell nicht wieder.EKKEHARD KNÖRER