Tom Schilling spielt den jungen Hitler: Sein Kampf? Sein Krampf!

Urs Odermatt hat George Taboris Stück "Mein Kampf" verfilmt - mit Tom Schilling in der Rolle des jungen Hitler. Der Film hätte noch gut mehr von dem blühenden Irrsinn vertragen.

Gehetzte Hitlerei: Tom Schilling (mit Anna Unterberger als Gretchen und Götz George als Schlomo Herzl). Bild: ap

Das "heilige Zeichen der Germanen" ist, wenn man Urs Odermatts Tabori-Verfilmung "Mein Kampf" Glauben schenken dürfte, zu Adolf Hitler (Tom Schilling) im Schlaf gekommen: In Form einer widerborstigen Kissenstickerei nämlich, die dem späteren "Führer" rote Hakenkreuze auf die morgendlichen Wangen zauberte.

Überhaupt zeichnet sich dieser junge Tölpel, der da eines Tages aus der österreichischen Provinz mit einigen Zeichnungen unterm Arm und vielen Kunstaspirationen in Wien und wenig später schon im Obdachlosenheim aufschlägt, durch einen erklecklichen Mangel an Kreativität aus: Seine Bilder - manierierter Kitsch, von eh schon miesen Künstlern schlecht abgemalt. Die raunenden Sprüche aus verunsichertem Mund - irgendeiner rammdösigen Jungsliteratur unbeholfen abgelesen. Sein späterer Bart - vom Zimmergefährten, dem Juden Schlomo Herzl (Götz George), unter die Nase frisiert. Seine spätere Gestik - von Schlomo Herzl beim Straßenverkauf abgeschaut. Der Titel seines späteren Bestsellers, das später, natürlich rein platonisch, geliebte Gretchen (Anna Unterberger) - alles Schlomo Herzl abgeluchst.

Damit man es gleich recht versteht: Natürlich ist Schlomo Herzl rein fiktiv, eine Erfindung des Theatermanns George Tabori. Und ein Nazi ist der alte Mann, den Abkupfereien Hitlers zum Trotz, beileibe nicht: Eher Bonvivant und Prototyp eines intellektuellen, zwar schon durchtriebenen, doch im Grunde guten Clochards, der seine rechte Freude daran hat, wenn das junge Gretchen ihm die Füße massiert.

Den Aufsässigkeiten des verzogenen Hitlerbengels im Obdachlosenheim begegnet er mit einer fürsorglichen Herzensmilde, die schmerzlich nicht nur Hitlers Zukunft wegen ist. Der junge Hitler hier ist, wenn man so will, eine Art auf rechts gestrickter Emo, der larmoyant vor sich hinleidet, ein bisschen was gelesen hat, Frauen gegenüber nicht recht klarkommt und sich ansonsten gern in Weltekel und selbstattestiertem Geniekult suhlt. Sein Kampf? Sein Krampf!

Ein ganz normales, für die Geschicke seiner Mitmenschen unsensibilisiertes Sensibelchen also, Selbstmordversuch inklusive: Hitler als Rotzlöffel, als Witzfigur. Schon zu Beginn, wenn's ihm die Zeichnungen vom Zug weht, hat er schon rein äußerlich was vom kleinen Tramp, der Chaplinfigur. Doch der tapsigen Unbeholfenheit liegt hier kein entwaffnend naiver, gütiger Blick in die Welt zugrunde, der noch aus dem größten Missgeschick ein Märchen zaubert. Wenn diese Chaplinparodie noch beim Straßenbetteln scheitert, äugen aus ihr nur stumpfes Misstrauen und blanke Missgunst.

Noch als Hitler bei den Deutschnationalen landet, die Schlomo samt jüdischer Freunde auf Kimme und Korn nehmen, will Schlomo vom Hitlerjungen nicht lassen. Auf die anrüchige These, dass womöglich erst die Gutmütigkeit der Juden Hitler hervorgebracht hat, will sich "Mein Kampf" zwar nicht festlegen - zu bereitwillig erheben die stumpfsinnig brütenden Deutschnationalen rings um das Obdachlosenheim diesen Hitler mit seinen Floskeln und Gesten zur Gallionsfigur -, doch steht sie zumindest im Raum. Womöglich wäre das aber schon zu weit gedacht und Hitler soll tatsächlich nur nach allen Regeln der Kunst blamiert und entdämonisiert werden: "Nicht einmal das Bärtchen hat er sich selbst ausgedacht!"

Natürlich wäre das dringend zu begrüßen - und in der Tat dürften auf diesen Hitlerfilm wohl keine dröhnenden Leitartikel aus Hessen folgen -, doch steht sich der Film diesbezüglich ein gutes Stück weit selbst im Weg.

So erliegt er phasenweise den Verführungen der Küchenpsychologie und trägt die Bilderschmiere mitunter zu stark auf: Einmal zeichnet Hitler mit schnellen Bleistiftstrichen Eisenbahnschienen in Renaissanceperspektive, die zum Fluchtpunkt des Bildes führen. An diesem baut sich eine Festung auf - natürlich, die übliche Ikonografie des Konzentrationslagers.

Ein warnendes Zeichen, welches Unheil in dem Jungen schlummert, gerade so, als hätte der historische Hitler die Schoah ganz im Alleingang durchgeführt. Ein unnötiger Wink in einem Film, der stattdessen noch gut mehr von dem blühenden Irrsinn vertragen hätte, den Tom Schillings gehetzte Hitlerei verströmt.

"Mein Kampf". Regie: Urs Odermatt. Mit Götz George, Tom Schilling u. a. Deutschland/Österreich/ Schweiz 2009, 109 Min.

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