Und ewig grüßt die Zeitbombe

SCIFI In „Source Code“ von Duncan Jones wird mit der im Kino so beliebten Zeitschleife gespielt, in der der Held diesmal immer wieder in einem Anschlag umkommt, den er eigentlich vereiteln soll

Als Bonus kann der Zuschauer hinterher die Löcher in der Erzähl-Logik aufspüren und sich überlegen fühlen

VON WILFRIED HIPPEN

Wie hat David Bowie nur seinen Sohn Duncan Jones erzogen? Nach dessen beiden Filmen „Moon“ und „Source Code“ zu urteilen, scheint er von isolierten Räumen besessen zu sein und ständig sich selbst und die ihn umgebende Realität in Frage zu stellen. Sein Debüt „Moon“ handelte von einem Mann, der ganz alleine eine vollautomatische Erzmine auf dem Mond leitete und langsam entdeckte, dass er ein eigens für diese Arbeit entworfener Androide ist. In „Source Code“ wird der Held buchstäblich in eine Situation geworfen, in der er nicht weiß, wer und wo er ist. Er findet sich in einem fahrenden Zug einer jungen Frau gegenüber, die mitten in einem vertrauten Gespräch mit ihm ist – dabei hat er sie noch nie gesehen. In der Zugtoilette sieht er dann in den Spiegel und ein ihm völlig Fremder blickt ihn an. Aber nach genau acht Minuten ist der Spuk vorbei, denn der ganze Zug explodiert und unser Held – doch halt! Wie viel darf man vom Plot eines Filmes verraten, der so virtuos wie dieser den Zuschauer mit immer mehr Informationen füttert, die jeweils allem eine neue Bedeutung geben, sodass man bei ihm von einer Zwiebeldramaturgie sprechen kann?

Andererseits kann man hier die Grundsituation ruhig ausplaudern, denn sie ist ja nur die erste von vielen Schichten des Plots. Und sie basiert ehrlich gesagt auf einem dieser grundsätzlich eher lächerlichen Gedankenspielen mit imaginären Realitäten und Zeitparadoxien, die in der Science-Fiction so beliebt sind. Also: Der Marinesoldat Colter Stevens ist an eine Maschine angeschlossen, durch die er die letzten acht Minuten im Leben eines anderen Mannes nachleben kann. Dieser kam bei einem Bombenanschlag auf einen Personenzug ums Leben, und Colter soll herausfinden, wer der Bombenleger ist, denn dieser hat noch einen viel größeren Anschlag auf Chicago vor. Stevens kann die gleichen acht Minuten unbegrenzt oft durchleben, und jedes mal lernt er die Frau, die ihm gegenüber sitzt, ein wenig besser kennen. Aber natürlich kann er sie und alle anderen im Zug nicht retten, denn all dies ist ja in der Vergangenheit schon längst geschehen – oder doch nicht?

Wenn sie geschickt erzählt sind, können solche Geschichten durchaus faszinieren und als Bonus kann der Zuschauer dann hinterher die Löcher in der Erzähl-Logik aufspüren und sich überlegen fühlen. Duncan Jones ist kein Christopher Nolan, ohne dessen „Momento“ es diese und viele andere Filme mit labyrinthischen Plots (für die schon der Gattungsbegriff „mindfuck-movies“ geprägt wurde) nicht geben könnte.

Nach dem überraschende Erfolg des Low-Budget-Kammerspiels „Moon“ wurde Jones für diese viel größere Studioproduktion engagiert, und so gibt es eine ganze Reihe von spektakulären Actionszenen (alleine die Zugexplosion wird fünfmal aus verschiedenen Perspektiven gedreht), aber diese sind zwar kompetent umgesetzt, aber man merkt, dass das Herz des Regisseurs hier nicht dabei ist. Am liebsten packt er seinen Helden wieder in enge Räume, und am besten ist ihm die Kapsel gelungen, in der sich Stevens nach jedem achtminütigen Ausflug in das Gehirn des Toten wiederfindet. Hier ist er streng isoliert und da der Film fast ausschließlich aus seiner Perspektive erzählt wird, kann Jones hier sehr eindrucksvoll mit der klaustrophobischen Stimmung und Unsicherheit der Situation spielen. Der einzige Kontakt des Helden ist die Funkverbindung zu einer Frau, die eine Mischung aus Krankenschwester und Geheimagentin zu sein scheint und deren Informationen alles andere als zuverlässig sind.

Bei Filmen dieser Art, bei denen das Konzept wichtiger ist als das Drama, ist es um so wichtiger, dass die Schauspieler ihre zwangsläufig eher dünn gezeichneten Figuren möglichst lebendig und intensiv zeichnen. Und dies gelingt Jake Gyllenhaal hier in der Hauptrolle sehr eindrucksvoll. Ähnlich wie Sam Rockwell in „Moon“ spielt er einen smarten und eher introvertierten Helden, dem es durch genaues Nachdenken gelingt, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf der labyrinthischen Geschichte herauszuziehen. So schlimm kann die Kindheit von Bowies Sohn also doch nicht gewesen sein.