DER CHIP FÜR DEN BECHER
: Konzerte bewachen

„Nicht anlehnen!“, sagt die Security

In der Zitadelle Spandau kaufe ich als Erstes ein „Sportgetränk“, wie Sven Regener das in dem schönen Nostalgiesong „Es ist nichts mehr wie es war“ besingt. Bei mir ist es Jever Lime, was sich jetzt nicht so gut anhört, weil es sich auf Slime reimt. Dabei spielen die heute gar nicht, sondern Sophie Hunger. Der Festival-Bierausschenker schüttet den Inhalt der Flasche in einen Plastikbecher, um zu verhindern, dass ich die Flasche auf Sophie Hunger werfe. Dazu kriege ich einen Chip, den ich einlösen kann, wenn ich den Plastikbecher zurücktrage und mit ihm nicht Sophie Hunger bewerfe. Damit trage ich dazu bei, dass sich Plastikbechersammler keine goldene Nase verdienen.

Ich suche mir einen Platz ganz hinten vor einer Stahlkonstruktion, in der das Mischpult untergebracht ist. Davor steht ein Mann von der Security. Er sieht im Gesicht verwüstet aus, als ob Schlägereien sein täglich Brot sind, bei denen man nicht wissen will, wie der andere danach ausgesehen hat. Er hat einen sehr muskulösen Oberkörper, einen Skorpion auf dem Unterarm, große Stöpsel im Ohr und ist ganz in Schwarz gekleidet. Er lehnt am Gerüst. Als ich mich auch an das Gerüst lehne, sagt er: „Nicht anlehnen!“ Erschrocken sehe ich nach oben. Hat die Stahlkonstruktion durch mein unsachgemäßes Anlehnen einen Knacks bekommen? Der Securitymann nimmt seinen Job sehr ernst.

Zum Abschied sagt Sophie Hunger: „Ihr seid soo schön!“ Für den Rest des Abends bin ich jetzt blöderweise damit beschäftigt, herauszufinden, wen sie gemeint haben mochte, während die nach Sophie Hunger auftretende Marianne Faithfull mit ihrer hinreißend rauen Stimme wunderschöne Songs singt.

Nach dem Konzert hat der Festival-Bierausschank bereits geschlossen. Ich werfe den Plastikbecher auf den Boden. Zum Glück ist kein Securitymann in der Nähe. KLAUS BITTERMANN