Streit um Thomas Kilpper in Venedig

Nein, Thomas Kilpper hat keineswegs das Porträt des dänischen Karikaturisten Knut Westergaard in den Boden seines „Pavillon for Revolutionary Free Speech“ geschnitzt, der Teil des Dänischen Pavillons auf der 54. Kunstbiennale von Venedig ist. Warum sollte er auch?

Knut Westergaard ist einer der Karikaturisten, die 2005 in der dänischen Zeitung Jyllands Posten dem Propheten Mohammed ein je sehr eigenes Bild gaben. Rechtgläubige in der islamischen Welt waren ob dieser Bilder maßlos empört; in Folge gab es Todesdrohungen gegen die Zeichner und Unruhen mit über hundert Toten.

Dieses „Trauma der freien Meinungsäußerung“, wie die Ereignisse in der Presseerklärung zum Dänischen Pavillon vage benannt werden, dürfte das im Pavillon-Motto „Speech Matters“ artikulierte Anliegen maßgeblich beflügelt haben. 18 Künstler lud die Kuratorin Katerina Gregos ein, sich Gedanken zur Rede- und Meinungsfreiheit zu machen, darunter auch den in Berlin lebenden Künstler Thomas Kilpper.

Kilpper liebt das Medium des Holz- und Linolschnitts, das er exquisit beherrscht. Zumal er den „Druckstock“ für seine Figuren der Zeitgeschichte gerne in der schon vorgefundenen Architektur sucht wie etwa dem 800 qm großen Linoleumfußboden der Stasi-Zentrale in der Berliner Normannenstraße. Kilpper liebt freilich auch die etwas undurchsichtige Montage seiner Figurenensembles und mischt dabei auf schwer nachvollziehbare und für manchen Betrachter ausgesprochen ärgerliche Weise Täter und Opfer.

Daher sah die Frankfurter Allgemeine Zeitung wohl mit dem Dänischen Pavillon endlich die Gelegenheit gekommen, mit dem deutschen Künstler abzurechnen. „Mit Hohn und Bösartigkeit“ gehe Thomas Kilpper zu Werke, hieß es am 9. Juni in der FAZ, indem er Knut Westergaard auf dem Boden verewige, damit man ihm den rechten „Tritt ins Gesicht“ verpassen könne. Konnte man aber nicht.

Denn auf dem Boden von Kilppers Pavillon ist Knut Westergaard nicht zu finden. Der Autor der Kolumne war eben keineswegs, wie sein Text suggerierte, dem Skandal in Venedig begegnet, sondern nur in einer Pressemeldung, die sich als falsch erwies. Schon interessant, wie bei der FAZ gearbeitet wird.

Aber auch aus Dänemark erfährt Kilpper ein fast einhellig negatives Echo. Leider ist es zumeist der gegenwärtigen, bekanntlich äußerst xenophoben dänischen Befindlichkeit geschuldet.

Trotzdem, glücklich wird man mit Kilppers Methode nun wirklich nicht. Machtverhältnisse und politischen Streit auf ikonische Köpfe herunterzubrechen, diese Idee ist allzu schlicht und allzu nahe am alten Schema, Männer machen Geschichte. Dazu täuscht Kilpper mit der rätselhaften Begegnung der Biennale-Kuratorin Bice Curiger und Thilo Sarrazin Komplexität nur vor. Warum nicht wirklich Agitprop? In der Art des schwedischen Künstlers Öyvind Fahlström (1928–1976), der die Machtspiele der bekannten Pappnasen aus Politik und Wirtschaft allerdings wirklich ausdeutete. BRIGITTE WERNEBURG