Bei Regen in den Dom

DIASPORA Lange Jahrzehnte haben die Katholiken im protestantischen Bremen um die Fronleichnamsprozession kämpfen müssen. Ein neues Buch zeichnet diese Geschichte nach

Seit 1875 gibt es in Bremen eine „Monstranz“, ein kostbares Türmchen für die Hostie, die auch dieses Jahr wieder öffentlich gezeigt wird. Diese Fronleichnamsprozessionen indes gibt es im erzprotestantischen Bremen erst seit dem Jahr 2000 wieder. Dass zu dieser alten und zugleich neuen Tradition einiger Mut gehört, hat der frühere Sprecher der dortigen katholischen Kirche, Wilhelm Tacke, in einem Buch nachgezeichnet.

„Schau-Frömmigkeit“ nennt man die Haltung, die sich in den Prozessionen ausdrückt. Vier Altäre werden, jedenfalls in der Urform, herumgetragen, engelsgleich in Weiß gekleidete Kinder gehen vorneweg – folgerichtig „Engelchen“ geheißen. In früheren Jahrhunderten war das ein Volksfest, keine schlichte „Schau“ katholischer Frömmigkeit. Der Ritus war ein Stück der Realität, die Bilder lebten und die Gläubigen erfuhren das Wunderwerk des Erlösers körperlich. Ein wenig erinnert daran noch die protestantische Eucharistiefeier.

Angst vor Pferdeäpfeln

Die Fronleichnamsprozession war in katholisch dominierten Gegenden natürlich eine Macht-Demonstration – entsprechend fürchteten die Katholiken, in protestantischen Gegenden mit Pferdeäpfeln oder Schlimmerem beworfen zu werden.

Eine erste kleine Prozession hat Tacke für das Jahr 1925 im Bremer Vorort Hastedt nachgewiesen: Dort zogen die Gläubigen einmal um die Kirche – und wunderten sich, dass es keinen Sturm der Entrüstung gab. Fortan wagten sie sich Jahr für Jahr immer weiter hinaus in die vermeintlich feindliche Stadt.

Stimmung gegen die Katholiken machten damals die Sozialdemokraten. Dagegen sahen die Deutschnationalen mit Misstrauen, dass Katholiken den Weisungen aus Rom folgten – und also im Grunde vaterlandslose Gesellen waren. Verboten wurden öffentliche Fronleichnamsprozessionen 1937. Zehn Jahre zuvor hatte die Bürgerschaft einen „Konkordats-Vertrag“ mit den Katholiken abgelehnt; bis 2003 mussten sie auf ihre offizielle Anerkennung warten.

Die US-amerikanischen Besatzungstruppen erlaubten die religiöse Schau nach dem Kriege wieder, 1949 nahmen 35.000 Schaulustige daran teil. Auch der Katholizismus aber ist für den Zeitgeist der Moderne nicht empfänglich: Die Zahl der Teilnehmer nahm ab, und in den 70-er Jahren wurde gar Ministrantinnen erlaubt, an den Altar zu treten. Buchautor Tacke hat seinen, Pardon, Heidenspaß daran, diesen Emanzipationsprozess zu beschreiben – und dass der Papst davon nichts wissen durfte.

Abschaffung 1987

Dennoch wurde die Prozession 1987 regelrecht abgeschafft: Eine „Übermacht der Probleme in einer säkularen Stadt“ machte damals der katholische Bischof aus. Damit hatte sich im Grunde der Protestantismus durchgesetzt – bis eben der Buchautor Wilhelm Tacke im Jahre 2000 eine „kleine Prozession“ anregte – um wieder ein kleines Tor zu öffnen für das Folklore-Bedürfnis der Bremer Katholiken. Die dürfen bei Regen inzwischen in den Dom ausweichen – der seit 1530 in protestantischer Hand ist. kawe

Bremer Fronleichnamsprozession: Donnerstag, 9.30 Uhr, Bürgerpark. Wilhelm Tacke: „Weihrauch, Monstranz und Baldachin. Fronleichnam in Bremen“, Eigenverlag, 200 S., 10 Euro