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Mary & Max – oder schrumpfen Schafe, wenn es regnet? Australien 2009, R: Adam Elliot Der Animationsfilm ist endlich erwachsen geworden. Bis vor einigen Jahren gehörten Zeichentrick- und Puppenfilme ganz selbstverständlich ins Kinderprogramm, und noch 2002 gab es in vielen Kulturredaktionen Probleme, weil keiner von deren „seriösen“ Filmkritikern es für nötig erachtet hatte, sich im Wettbewerb der Berlinale Hayao Miyazakis Zeichentrickfilm „Chihiros Reise ins Zauberland“ anzusehen, der dann prompt den Goldenen Bären gewann. Inzwischen können über „Shrek“ oder „Wallace und Gromit“ die Erwachsenen lauter lachen als die Kinder, und es gibt Animationen wie „Persepolis“ und „Waltz with Bashir“, die thematisch und ästhetisch Filme für Erwachsenen sind. Auch „Mary & Max“ (den deutschen Aftertitel vergessen Sie bitte schnell) würde ein zu junges Publikum eher tief verschrecken als begeistern. Der australische Filmemacher Adam Elliot hatte schon 2003 in seinem Oscar-prämierten Kurzfilm „Harvie Krumpet“ eine groteske Lebensgeschichte voller geistiger und körperlicher Krankheiten, Krisen und Schicksalsschläge erzählt, die als Realfilm kaum erträglich gewesen wäre. Seine Puppen sind zugleich faszinierend hässlich und lösen beim Zuschauer Schutzinstinkte aus. Dazu kommt noch der Kontrast zwischen Elliots extrem schwarzem Humor und der Zärtlichkeit, mit der er in der altmodischen und arbeitsaufwendigen Stop-Motion-Technik seine Protagonisten lebendig werden lässt. Auch in „Mary & Max“ erzählt er von zwei skurrilen Außenseitern, die von allen anderen missachtet und missverstanden werden. Mary Daisy Dinkle lernen wir als eine schüchterne Achtjährige kennen, die in einem tristen Vorort von Melbourne lebt und sich selber für hässlich und dumm hält. Ihr Vater bedient in einer Teebeutelfabrik die Maschine, die Fäden an die Beutel näht und ihre Mutter liegt ständig auf dem Sofa, trinkt Sherry und beschimpft ihre Tochter. Aber diese ist neugierig und hat viele Fragen, die ihr niemand in ihrer Nachbarschaft beantworten kann. Da hat sie eine Idee und sucht aus einem Telefonbuch von New York irgendeine Adresse heraus und schreibt diesem Unbekannten einen Brief, in dem sie solch existentielle Fragen stellt wie jene ob Babys von ihren Eltern wirklich auf dem Boden von Biergläsern gefunden werden. Der Adressat ist Max Jerry Horowitz, ein jüdischer Eigenbrötler, der am Asperger-Syndrom leidet und Panikattacken bekommt, sobald die Fragen von Mary zu persönlich werden. Aber er antwortet und so beginnt eine 22-jährige Brieffreundschaft, in der es ganz erstaunlich berührende Wendungen, Annäherungen und Krisen gibt. Obwohl sich Mary und Max bis zur letzten, wunderschön traurigen Szene nie begegnen, feiert Elliot ihre Freundschaft so warmherzig und fantasievoll, dass Hollywoodromanzen wie „Briefe an Julia“, in denen hübsche Menschen sich in hübsche Menschen verlieben im Vergleich gefühlsarm wirken. Wie genau Elliot es schafft, seine Puppen so menschlich wirken zu lassen, bleibt sein Geheimnis.

Der Film läuft am Montag ab 21.30 Uhr beim Zeise Kinos Open-Air im Rathaus Altona