LAUE SOMMERNACHT
: Die Gei ist unterwegs

Fup ist sehr aufgeregt und sagt „Gei, gei, gei“

Die Parterrewohnung neben dem Spätkauf, aus der mich die kleine, schwankende und strubbelige Frau mit den großen Zahnlücken um einen Euro anhaute, den ich „echt wieder zurückkriegen“ werde, wird gerade saniert. Ein Mann schiebt alte Bretter mit Nägeln aus dem Fenster, und drin ist viel Staub. Auf einem Zettel an der Scheibe steht eine Telefonnummer. Man könne die Wohnung als Büro anmieten, aber nicht als Kneipe. Der Zettel verrät nicht, was aus der Frau mit der großen Zahnlücke geworden ist.

Wieder eine weniger, bei der es auffällt, dass sie nicht mehr da ist. Vielleicht fällt das auch nur mir auf, aber bei tausend anderen, die hier wohnen, würde es mir nicht auffallen, weil die alle einen Fahrradhelm aufhaben und weite Hosen mit riesigen ausfaltbaren Taschen, dass man einen ganzen Truthahn reinstopfen kann. Wie will man die alle auseinanderhalten?

Fup und ich sitzen vor dem Casolare und essen Nudeln. Fup ist sehr aufgeregt und sagt „Gei, gei, gei“. Ich drehe mich um. Hinter mir steht die Polizei, die ja viele Spitznamen hat, „Gei“ aber ist mir neu. Die zwei Gei-Beamten sprechen mit einer Gegensprechanlage: „Und er ist schon wieder weg? Rufen Sie uns wieder an, wenn er wieder da ist.“ Aha, ein Informant, denke ich. Sitzt hier mitten unter uns und observiert die Leute.

Aber warum nicht? Ich tue das auch. Zu Hause sitze ich auf dem Fensterbrett, meinem Beobachtungsposten. Die Nacht ist warm und feucht. Im Park klirren Flaschen. Im Haus rechts von mir wird ein Mann von zwei Gei-Beamten in Handschellen abgeführt. Ich schwöre: Ich habe die Gei nicht angerufen. Im Haus links von mir kommt Müntefering mit seiner siebzig Jahre jüngeren Gattin heraus und macht noch einen kleinen Spaziergang durch das Viertel. Umgekehrt wäre natürlich lustiger gewesen. Müntefering in Handschellen.

KLAUS BITTERMANN