BLUESFOLK UND ARSCHKACKE
: Mein Anteil an der Wahlschlappe der FDP

VON MARGARETE STOKOWSKI

AUSGEHEN UND RUMSTEHEN

Auch wenn ich ständig motze, ich muss sagen, ich liebe meinen Job. Einfach irgendwas schreiben, frei Schnauze. Mein Opa sagt immer, ich würde „über nichts“ schreiben, kein Fachwissen, nix. Aber er schneidet trotzdem alle Artikel aus und heftet sie ordentlich ab, sehr gut. Wenn er mal stirbt, werde ich ein Archiv erben, mit meinen eigenen Texten.

Am Samstag schreibe ich etwas für eine Musikzeitung, mein erster Artikel da. Oh Gott, hoffentlich nehmen die das. Ich höre die Platte, die ich rezensieren soll, fünfmal. Bluesfolk oder so. Beim Tippen trinke ich einen Southern Comfort mit Ginger Ale. Erstens, weil das mein neues Lieblingsgetränk ist und zweitens, weil ich denke, als Musikkritikerin sollte man beim Schreiben Alkohol trinken. Mein allerliebster Lieblingsjob wäre Backgroundsängerin von Leonard Cohen. Nach drei fertigen Absätzen weiß ich nicht weiter. Mich nerven diese blöden Hubschrauber, die schon wieder genau über meinem Teil von Kreuzberg wrummen. Ich glaube, sie suchen Autoanzünder.

Ich sollte vielleicht froh sein, ich habe ja seit kurzem auch ein Auto. Aber das würde nie jemand anzünden, weil es ein alter Hippiebus ist. Leute, die Hippiebusse scheiße finden, zünden keine Autos an, oder? Man weiß so was ja immer erst hinterher. Aber den ganzen Abend durch ein fieses Knattern daran erinnert zu werden, dass über mir ein paar Polizistenärsche in der Luft hängen, mag ich nicht. Ich habe miese Erfahrungen mit der Polizei.

Vor ein paar Wochen habe ich auf der Straße einen sexuellen Übergriff erlebt, oder wie man das nennt. Es war der Horror, und ich habe mir danach ein kleines, scharfes Klappmesser gekauft und Anzeige erstattet. Weil ich lange von der Polizei nichts hörte, rief ich da an. Sieben Mal ging keiner ran, und beim achten Mal ein Mann, den ich fragte, wann sich denn mal jemand bei mir meldet. Er fragte mich, was ich angezeigt hätte, ich sagte es, und er sagte: „Na, was glauben Sie denn, Sie wohnen in der Bundeshauptstadt, hier gibt es noch dreieinhalb Millionen andere Leute, da kann so was schon mal dauern.“ Das fand ich scheißunfreundlich von ihm, so eine Vollpfeife. Sagte „Danke, dass sie sich so super um mich kümmern“, und legte auf.

Abends, nach dem Schreiben, gehen wir jedenfalls auf eine Party, ganz in der Nähe. Es ist sehr heiß in der Wohnung, alle schwitzen und kleben und tanzen und reden. Jolle kommt zu Stefan und mir und fragt: „Wollt ihr Speed?“ Ich gehe mit ihr in ihr Zimmer, da ist es schön kühl. Dann kommt ein komisches Lied, wo einer immer sagt „Ich würde gern Gitarre spielen können wie Bob Dylan“. Wir gehen in die Küche und lehnen uns aus dem Fenster, es nieselt. Auf dem Fensterbrett wachsen Kräuter. Stefan lehnt sich in die Petersilie und nagt sie ab. Dann schläft er auf einem Sofa ein, ich tanze wie bekloppt und trage ihn dann irgendwann nach Hause.

Sonntag gehen wir auf Wahlpartys. Zuerst gucken wir Wahlergebnisse im Südblock und gehen dann in den Festsaal Kreuzberg, da feiern die Grünen. Wir gehen nur hin, weil ich denke, dass es Häppchen gibt, aber nix. Es ist einfach nur langweilig.

Schnell weg, zu den Piraten in den Ritter Butzke. Da geht es ab. Es ist sehr voll, riecht nach Red Bull, und es gibt natürlich keine Häppchen. Jemand singt „So sehen Sieger aus, schalalalala“. Ein Comedy-Typ hält eine Art Rede und hat dafür ein FDP-Plakat mitgebracht, das Scheißding mit den Schrippencroissants. Ich falle vor Schreck fast um. Es ist genau das Plakat, auf das ich mit Edding „Arschkacke“ drunter geschrieben habe, ich erkenne ja meine Schrift. Ich fühle mich geehrt. Ich muss das Opa erzählen, der wird sich freuen.