Es gibt keinen Trost

ROSE AUSLÄNDER Katharina Schuberts Dokumentarfilm „Der Traum lebt mein Leben zu Ende“ erzählt so hart über das Leben der Rose Ausländer, wie die Dichterin mit sich umging

Die glasharte, eiskalte Stimme der Dichterin klingt immer wieder aus dem Off

VON SUSANNE MESSMER

Fast die ganze erste Hälfte des Films denkt man: o je! Da sind sie also, die sprechende Köpfe, die brav ihre – zweifellos wichtigen – Dinge sagen. Da ist er, der Erzählertext, der in chronologischer Reihenfolge aufzählt, was der Dichterin Rose Ausländer, deren Leben bekanntlich geprägt war von Holocaust und Exil, in ihrem Leben widerfahren ist.

Da sind ein paar Archivbilder und immer wieder aktuelle Filmaufnahmen, die eins zu eins genau das bebildern, was Rose Ausländer beschrieben hat: Bilder von der Bukoniwa sind zu sehen, jener historisch versunkenen Gegend, aus der nicht nur Paul Celan stammte, Bilder der einst österreichisch-ungarischen, rumänischen und nun ukrainischen Stadt Czernowitz vor allem, dann Bilder von New York, wo die Autorin immer wieder eher arbeitete denn lebte, und schließlich Bilder vom Altersheim in Düsseldorf, wo sie ihre letzten Jahre verbrachte.

Katharina Schuberts Dokumentarfilm „Der Traum lebt mein Leben zu Ende“ ist ein spröder Film über ein sprödes Thema. Höchst konventionell erzählt er das Leben einer Autorin nach, die vielleicht zu den wichtigsten Nachkriegsdichterinnen gehört hat und die nach ihrer Rückkehr nach Deutschland in den sechziger Jahren vor allem deshalb so gefeiert wurde, weil sie Dichterin der Schoah war, weil sie aber nie die Rolle der großen Anklägerin spielen wollte. Dabei kämpft der Film vor allem damit, dass er alles erzählen will – dass es aber jenseits dessen, was Rose Ausländer in ihren Gedichten zu sagen hatte, wenig zu erzählen gibt.

Es ist vor allem die Stimme der 1988 verstorbenen Dichterin, diese glasharte, eiskalte Stimme, die man immer wieder aus dem Off hört und die den Zuschauer etwa nach der Hälfte des Films etwas versöhnlicher stimmt: „Ich trage mein Niemandsland in der Tasche“, lässt die Filmemacherin Rose Ausländer einmal sagen. Und, ganz trocken: „Ich wohne nicht.“ Was für einen Film hätte man über eine Person wie Rose Ausländer drehen können? Ist dieser eingedampfte Stil, der nicht die geringste sentimentale Annäherung und keinen Trost zulässt, nicht vielleicht doch einem spartanischen Lebensentwurf angemessen, der sich bewusst an immer weniger hängte, der nur noch aus dem Koffer zehrte, der sich immer weiter reduzierte und am Ende nichts mehr zuließ als das Wort?

Nach einem Oberschenkelhalsbruch beschloss die 1901 geborene Rose Ausländer im Jahr 1977, ihr Zimmer im Düsseldorfer Altenheim nicht mehr zu verlassen. Sie zog sich in die Bettlägerigkeit zurück. Die guten acht Jahre, in denen sie in dem kleinen, schmucklosen Zimmer lag, kaum mehr Besuch zu sich ließ, keine Zeitung, keine Bücher, kein Fernsehen und kein Radio mehr wollte und Papierberge um sich herum auftürmte, waren die produktivsten ihres Lebens. Sie schrieb über 800 Gedichte und überarbeitete ungezählte alte.

Zwei Jahre vor ihrem Tod beendete sie ihre Arbeit. Sie rief ihren Verleger, Herausgeber und heutigen Nachlassverwalter Helmut Braun zu sich und diktierte ihm ihr letztes Gedicht. Hart und konsequent wie sein Sujet endet auch der Film mit diesem Gedicht: „Der Traum lebt mein Leben zu Ende.“

■ „Der Traum lebt mein Leben zu Ende“. Regie: Katharina Schubert. Deutschland 2010, 90 Minuten