Dringendes Ruhebedürfnis

ENTSCHLEUNIGUNGSKUNST Die Ausstellung „Die Kunst der Entschleunigung“ geht im Kunstmuseum Wolfsburg der Dialektik von Bewegung und Ruhe nach – und räumt Zeit frei für eine drängende Debatte

Auf der einen Seite eine rastlose Beschleunigung: Immer mehr in immer kürzerer Zeit produzieren und konsumieren, immer auf dem Weg irgendwohin, sich immer schneller auf immer weiter entfernte, immer stärker miteinander verknüpfte Ziele zu bewegen, bis zur absoluten Gleichzeitigkeit. Auf der anderen Seite das verzweifelte Bedürfnis der derart permanent Erschöpften, dem rasenden „Turbokapitalismus“ zumindest für einen kleinen Zeitraum noch zu entfliehen, seine gnadenlos fortschreitende Zeitverknappung zu entschleunigen – endlich mal zu entspannen, wieder langsamer zu essen, genauer hinzusehen, stillzustehen.

Mit einer umfassenden Ausstellung geht das Kunstmuseum Wolfsburg bis April nächsten Jahres der dynamischen Dialektik von Ruhe und Bewegung, Beschleunigung und Entschleunigung in der Kunst nach. Insgesamt sind 160 Werke von 85 Künstlern zu sehen: Futuristen wie Giacomo Balla, Kinetiker wie Jean Tinguely und Zero-Künstler wie Günther Uecker stehen Landschaftsbildern von Caspar David Friedrich, surrealen Traumwelten von Max Ernst oder der filmischen Verlangsamung eines Douglas Gordon gegenüber, zeitgenössische Künstler von Ai Weiwei bis Andreas Gursky setzen sich mit Zeit- und Finanzkrise, Umweltkatastrophen, Bevölkerungswachstum, Kontrollverlust, dem „Tempovirus“ Internet und Stress- und Burnoutsyndromen auseinander.

Und räumen damit ein wenig Zeit und Raum frei für die – na sowas: ebenfalls immer dringlicher werdende – gesellschaftliche Debatte über das Potenzial der Entschleunigung. MATT

■ Wolfsburg: Sa, 12. 11. bis Mo, 9. 4. 2012, Kunstmuseum, Hollerplatz 1, www.kunstmuseum-wolfsburg.de